Theater am Gabriel-von-Seidl-Gymnasium:"Nie wieder!"

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Krieg, Folter, Mord: Stephanie Krug inszeniert mit Tölzer Gymnasiasten Sartres "Tote ohne Begräbnis". Ihre Erfahrung: Jugendliche sind alles andere als politisch desinteressiert

Interview von Stephanie Schwaderer

Frankreich im Jahr 1944. Fünf Anhänger der Résistance sitzen gefesselt in einem Haus, das von Kollaborateuren des deutschen Regimes bewacht wird. Sie warten auf Folter und Tod. Das ist die Ausgangssituation von Jean-Paul Sartres Drama "Tote ohne Begräbnis", das Tölzer Gymnasiasten nun unter der Regie von Stephanie Krug auf die Bühne bringen.

SZ: Harter Stoff, den Sie Ihren Spielern diesmal zumuten. War es Ihre Idee, "Tote ohne Begräbnis" zu inszenieren?

Stephanie Krug: Ja, ich habe als Jugendliche auch Sartre gelesen und gespielt. Das sind Dinge, die man nie mehr vergisst. Und dieses Drama ist hochaktuell: Wir erleben gerade politische Umwälzungen, sind Zeugen eines Rechtsrucks, sehen populistische Bewegungen erstarken. Da wollte ich kein Friede-Freude-Eierkuchen-Werk inszenieren. Ich dachte mir: Das ist das richtige Stück zur richtigen Zeit, und der Theatergruppe der Oberstufe kann man das zutrauen. Tatsächlich war es eine ganz intensive Erfahrung.

Die Spieler des Tölzer Oberstufentheaters schlüpfen nicht nur in Wehrmachtsuniformen. Sie haben sich von Anfang an ganz auf ihre Rollen eingelassen. (Foto: Stephanie Krug)

Es heißt immer, die heutige Jugend sei unpolitisch.

Das kann ich nicht bestätigen. Im Gegenteil: Terror, Flüchtlinge - all das sind Themen, mit denen Jugendliche täglich konfrontiert werden und mit denen sie sich auseinandersetzen. Genauso interessieren sie sich für den Nationalsozialismus und den Holocaust. Die Generation, die diese Zeit miterlebt hat, stirbt ja langsam aus. Um so wichtiger ist es, einen lebendigen Zugang zu erhalten. Wir hatten das Glück, dass ein Schauspieler mit Kontakt zum Film uns Wehrmachtsuniformen besorgen konnte. Gruselig, da hineinzuschlüpfen.

Die zentrale Frage des Stücks lautet: Wie würde ich mich bei Folter verhalten? Wie reagieren 16-, 17-Jährige darauf?

Das war sehr spannend. Sartre sagt: Als Mensch ist man auch in einer extremen Situation für sein Handeln verantwortlich. Die Widerstandskämpfer in seiner Geschichte begehen eine monströse Tat. Das löst natürlich den Gedanken aus: Oh Gott, ich könnte auch so etwas tun! Und damit geht die Erkenntnis einher: Ich möchte niemals in eine solche Situation geraten. So etwas darf nie wieder passieren! Das Stück ist ein Mahnmal gegen Kriegsverbrechen, Folter und Mord.

Seit acht Jahren leitet de 48-jährige Stephanie Krug Theaterprojekte mit Grundschülern und Gymnasiasten. (Foto: Privat)

Gab es auch Krisen?

Nein, gar nicht. In einer Zeit, in der alle Serien wie "Game of Thrones" und "Breaking Bad" schauen, sind Jugendliche offenbar abgehärtet. Aber nicht abgestumpft. Alle sind gleich tief in ihre Rolle eingestiegen. Bei den Folterszenen musste ich allerdings etwas bremsen, die hätten sie gerne noch krasser und noch krasser gehabt. Aber das Spannende sind ja die inneren Konflikte, die Ängste, die sich auftun, wenn man darauf wartet, gefoltert zu werden.

Wie kommt in Ihrer Inszenierung Musik ins Spiel?

Meine Idee war es, die Handlung, die ja sehr hart ist, durch Traumsequenzen aufzubrechen. Ich baue Bilder ein, die Erinnerungen zeigen, Visionen, wie das Leben sein könnte. Dazu erklingt unter anderem Schuberts wunderbares Streichquartett "Der Tod und das Mädchen" - eine romantische, traurige, aber auch tröstende Musik. Im Theater, diese Erfahrung mache ich immer wieder, erreicht man auch Jugendliche, die bislang noch nie etwas mit solcher Musik zu tun hatten. Was mich besonders freut: Die Streicher des Quartetts sind richtig gut, Preisträger bei Jugend musiziert, und sie haben den anspruchsvollen Schubert selbst einstudiert.

Werden Sie auch singen?

Nein, das dürfen an diesem Abend andere. Ich habe deutsche und französische Volkslieder ausgesucht. Und im Radio sind Edith Piaf und Zarah Leander mit dabei.

Mittwoch, 15. November, und Donnerstag, 16. November, 19.30 Uhr, Gabriel-von-Seidl- Gymnasium (Aula), Bad Tölz, Eintritt frei , Spenden erbeten

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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