Szyszkas Klassiker:Pionier am Hammerklavier

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Der berühmte Orgelbauer Gottfried Silbermann entwickelte die Technik des Instruments weiter

Von Reinhard Szyszka

Schwerstarbeit steht den Helfern ins Haus. Bevor am Samstag der erste Ton im Iffeldorfer Gemeindezentrum erklingt, müssen gleich vier gewichtige Instrumente auf die Bühne gewuchtet werden: eine Truhenorgel, ein Hammerflügel, zwei Cembali. Der Niederländer Ton Koopman, weltweit angesehener Pionier der historischen Aufführungspraxis, besteht kompromisslos auf dem Originalklang. Und bei einem Konzert unter dem Motto "Von Händel bis Haydn" kommt man halt nicht mit einem oder zwei Tasteninstrumenten aus.

Das 18. Jahrhundert war eine Zeit enormer gesellschaftlicher Umwälzungen, die sich auch in der Musik niederschlugen. Barocke Meister wie Bach und Händel hatten noch überwiegend für Adel und Kirche komponiert, also für eine ganz bestimmte Hörerschaft und für einen genau umrissenen Zweck. Mitte des Jahrhunderts trat jedoch ein interessiertes bürgerliches Konzertpublikum mit neuen Ansprüchen und Klangvorstellungen auf den Plan. Das alte Cembalo, in der Barockmusik unverzichtbar, konnte da nicht mithalten: Es war einfach nicht stimmstark genug, um gegen ein modernes Sinfonieorchester zu bestehen. Und die Orgel passte auch nicht so recht in die Konzertsäle. Ein neues Tasteninstrument musste her, flexibel und doch kräftig, leicht im Anschlag, aber zu gewaltigen Klangeruptionen fähig, dazu transportabel.

Bereits 1698 hatte der Italiener Bartolomeo Cristofori eine geradezu revolutionäre Erfindung gemacht: ein Tasteninstrument, auf dem man lauter und leiser spielen konnte, einfach indem man kräftiger oder weniger stark in die Tasten griff. Cristofori nannte seine Erfindung Pianoforte; im deutschen Sprachraum setzte sich bald die Bezeichnung Hammerklavier durch. Hier war es vor allem der berühmte Orgelbauer Gottfried Silbermann, der die Technik des Instruments weiterentwickelte. In Silbermanns Werkstatt lernte auch Johann Sebastian Bach die Hammerklaviere kennen, und es war eine Idee Bachs, in den hohen Lagen zwei oder drei Saiten pro Taste gleichzeitig anzuschlagen, weil eine Saite alleine zu leise wäre. Bach hat aber niemals gezielt für das Hammerklavier komponiert; es blieb der nachfolgenden Komponistengeneration um Haydn und Mozart vorbehalten, die Möglichkeiten des neuen Instruments voll auszuschöpfen.

Der Bassbariton Klaus Mertens hat einen bunten Bilderbogen von Instrumental- und Gesangswerken aus der Barockzeit und der Frühklassik zusammengestellt: Kantaten, Lieder, Variationen, alles zum Thema "Freude". Und das Ehepaar Ton Koopman und Tini Mathot sorgt dafür, dass jedes dieser Stücke auf dem stilgerecht passenden Tasteninstrument erklingt. Auch wenn die Helfer zuvor gewaltig ins Schwitzen kommen.

Samstag, 4. Juni, Gemeindezentrum Iffeldorf, Hofmark 9, "Von Händel bis Haydn" mit Ton Koopman (Orgel und Cembalo), Tini Mathot (Cembalo und Hammerflügel) und Klaus Mertens (Bass). Beginn 19 Uhr, Einführung 18 Uhr, Karten zu 30, 25 und 22 Euro in der Buchhandlung Rolles Penzberg, Buchhandlung Winzerer Bad Tölz, im Klosterladen Benediktbeuern, telefonisch unter 08856/36 95 und über München Ticket

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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