Szyszkas Klassiker:Ein Virtuose spielt Virtuosen

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Chi Ho Han interpretiert Werke komponierender Pianisten

Von Reinhard Szyszka

Es gibt sie noch, die komponierenden Klaviervirtuosen. Was zu Zeiten eines Chopin, eines Liszt, eines Rachmaninoff selbstverständlich war, ist heute die große Ausnahme geworden: ein Tastenlöwe, der für sein Instrument technisch anspruchsvolle Werke komponiert. Virtuose Klaviermusik ist suspekt geworden, gilt vielfach als hohler Tastendonner, als Blendwerk ohne tieferen Sinn. Die wenigen Pianisten, die überhaupt komponieren, halten sich da lieber an Kammer- oder Orchestermusik und andere "unverdächtige" Gattungen.

Der Franko-Kanadier Marc-André Hamelin, Jahrgang 1961, ist einer der letzten Ritter der Virtuosität am Klavier. Seit seinem Gewinn der Carnegie Hall America Music Competition im Jahr 1985 gilt er als einer der technisch perfektesten Pianisten überhaupt. "Über-Virtuose" hat ihn der prominente New Yorker Kritiker Harold Schonberg tituliert. Seither tourt der Über-Virtuose nicht nur durch die Konzertsäle der Welt, sondern schreibt auch selbst Klaviermusik, die von Schwierigkeiten aller Art nur so strotzt. Sein jüngstes Werk: "Pavane variée", eine Auftragskomposition für den ARD-Wettbewerb 2014. Neben Hamelin selbst gibt es nur einen einzigen berufenen Interpreten dieses Brockens: den koreanischen Pianisten Chi Ho Han, der damals den zweiten Preis des Wettbewerbs erringen konnte - ein erster Preis wurde nicht vergeben - und auch mit dem Sonderpreis für die beste Interpretation der Auftragskomposition ausgezeichnet wurde. Am Samstag wird Chi Ho Han in Icking die "Pavane variée" und andere anspruchsvolle Klavierwerke spielen.

Der "Pavane variée" zugrunde liegt das französische Renaissance-Tanzlied "Belle qui tiens ma vie" - ein Ohrwurm, der Hamelin nicht mehr aus dem Kopf ging, seit er ihn zum ersten Mal hörte. Und weil kaum ein Komponist auf die Idee gekommen ist, Variationen über dieses Lied zu schreiben - ein Umstand, den Hamelin "a little puzzling" findet -, hat der Über-Virtuose selbst diesem Mangel abgeholfen. Neun Variationen sind es geworden, die dem Spieler nicht nur technisch, sondern auch interpretatorisch alles abverlangen. Im Grunde sind es freie Klavierfantasien, die doch immer wieder das Tanzlied oder Teile davon durchschimmern lassen. An manchen Stellen spielt die rechte Hand des Pianisten "chromatische Cluster": der höchste und der tiefste Ton sind vorgegeben; dazwischen muss der Pianist mit Fingern und Handfläche so viele Tasten wie möglich erwischen. Mitten in allem Virtuosenprunk gibt es einen Ruhepunkt: einen "Choral" aus fast impressionistischen Akkorden, langsam und leise zu spielen, mit glockenartigen Klängen am Ende.

Chi Ho Han interpretiert in Icking noch weitere Werke von komponierenden Virtuosen, allerdings aus vergangenen Jahrhunderten. Beethoven hat als Pianist angefangen, bis ihm seine fortschreitende Hörbehinderung das praktische Musizieren unmöglich machte und er nolens volens nur noch komponierte. Auch Robert Schumann wollte zunächst Pianist werden, doch durch eine selbst gebastelte Übe-Maschine zog er sich Fingerlähmungen zu, die diesen Plan vereitelten. Und Frédéric Chopin war einer der besten Klavierspieler seiner Zeit.

Klavierabend Chi Ho Han mit Werken von Beethoven, Schumann, Hamelin und Chopin , Samstag, 12. März, Rilke-Konzertsaal, Gymnasium Icking; Konzertbeginn 19.30, Einführung 18.30 Uhr. Karten bei Schreibwaren Baumgartner Icking, Buchhandlung Isartal Ebenhausen und an der Abendkasse

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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