Szyszkas Klassiker:Das allererste Streichquartett

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Wer das Streichquartett erfunden hat, ist nicht genau bekannt

Von Reinhard Szyszka

Wer hat das Streichquartett erfunden? Viele Musikfreunde tippen auf Joseph Haydn; musikhistorisch besonders Bewanderte bringen die Italiener Giuseppe Sammartini und Luigi Boccherini ins Spiel. Keiner von diesen, sagen die Musiker des Apollon Quartetts aus Prag und präsentieren einen Landsmann: Franz Xaver Richter (1709-1789), dessen erster Vorname eigentlich František lautet. Und es ist nicht nur tschechischer Nationalstolz, der die Prager zu diesem Urteil bringt. Richters Opus 5, eine Sammlung von sechs Streichquartetten, erschien 1768, aber es gibt gute Gründe für die Hypothese, dass die Werke spätestens 1757 entstanden sind. Zu dieser Zeit war Haydn 25 Jahre alt und dachte nicht im Traum an Quartette für vier Streichinstrumente. Opus 5 Nummer 1 von F. X. Richter ist also möglicherweise das allererste vollgültige Streichquartett der Musikgeschichte, und genau dieses Werk spielt das Apollon Quartett am kommenden Samstag im Barocksaal des Klosters Benediktbeuern.

Ein Konzert nur für Spezialisten also, eine staubtrockene Angelegenheit? Keineswegs. Denn die Prager können auch ganz anders. Das zeigen sie mit dem letzten und berühmtesten Quartett von Antonín Dvořák, das 1893 in Spillville in den USA entstanden ist und deshalb das "Amerikanische" genannt wird. Dvořák, ein Tscheche wie Franz Xaver Richter, war zu dieser Zeit Direktor am Konservatorium in New York und verbrachte die Sommermonate in der böhmischen Kolonie von Spillville. Genau wie die berühmte Sinfonie "Aus der Neuen Welt" verarbeitet auch das Streichquartett amerikanische Folklore, Arbeitslieder der ehemaligen Sklaven aus den Südstaaten, frühe Gospels und Spirituals, auch indianische Musik - zumindest, was Dvořák dafür hielt.

Mit dem Amerikanischen Quartett ist die Brücke geschlagen von Tschechien in die USA, von Franz Xaver Richter zum - Jazz. Denn mit Jazzklängen geht das Konzert zu Ende. Natürlich gehören Streichquartette nicht gerade zum Kernbestand der Jazzmusik; das Apollon Quartett zeigt aber, wie sich auch diese Musik auf vier Streichinstrumenten zum Klingen bringen lässt. Klassiker sind dabei wie "A Night in Tunesia" von Dizzy Gillespie und "Seven Steps to Heaven" von Miles Davis, aber auch zeitgenössische Jazz-Größen wie Mark Summer und Pat Metheny sind mit charakteristischen Werken vertreten.

Von den allerfrühesten Anfängen der Quartettkunst bis zum Jazz, mit dem Amerikanischen Quartett von Dvořák als Dreh- und Angelpunkt zwischen den Zeiten und zwischen den Kontinenten - ein unkonventionelles, aber wohldurchdachtes Programm ist es, was das Apollon Quartett da zusammengestellt hat. Man darf gespannt sein, wie sich diese enorme stilistische Bandbreite in der Darbietung eines einzigen Ensembles anhört, und ob es den Pragern gelingt, die Einheit in der Vielheit zu entdecken.

Samstag, 6. August, Kloster Benediktbeuern (Barocksaal), Beginn 19 Uhr ; Karten zu 25 Euro im Vorverkauf bei Buchhandlung Rolles Penzberg, Rundschau Verlag Penzberg, Buchhandlung Winzerer Bad Tölz, Klosterladen Benediktbeuern, über München Ticket sowie telefonisch unter 08856/3695

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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