Szyskas Klassiker:Rücksichtslose Originalität

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Carl Philipp Emanuel Bach natürlich, der "große Bach". Wer denn sonst?

Von Reinhard Szyszka

Wenn Mozart oder Haydn von einem Komponisten namens Bach sprachen, ohne Angabe des Vornamens oder sonstige Zusätze, so war klar, wer gemeint war: Carl Philipp Emanuel Bach natürlich, der "große Bach". Wer denn sonst? Zwar kannten und bewunderten sie auch Johann Sebastian Bach, doch der war für sie der "alte Bach": Vertreter einer vergangenen Komponistengeneration, groß und verehrungswürdig, aber ohne unmittelbare Konsequenz für die musikalische Gegenwart. Carl Philipp Emanuel hingegen . . . Mehr als 1000 Werke hat er im Laufe seines Lebens geschaffen, viele davon zeit- und situationsgebundene Gelegenheitskompositionen. Nicht so die sechs "Hamburger Sinfonien" von 1773. Sie verdanken ihre Entstehung einem Auftrag von Baron Gottfried van Swieten, einem österreichischen Diplomaten und Musikmäzen. Swieten hatte Bach in Hamburg besucht und ihn um eine Sinfonie gebeten. Diese Bitte war beileibe kein Auftrag im üblichen Sinne mit genauen Vorgaben hinsichtlich Besetzung, Länge und Schwierigkeitsgrad. Ganz im Gegenteil: van Swieten wünschte sich von Bach, dieser möge in seiner Sinfonie das ausdrücken, was ihn im Innersten bewegte, ohne Rücksicht auf alle Konventionen. Aus der einen Sinfonie, um die van Swieten gebeten hatte, wurden schließlich sechs. Es war wohl viel, was Carl Philipp Emanuel Bach im Innersten bewegte.

Die sechs Hamburger Sinfonien zählen zu den Gipfelwerken im Schaffen des Komponisten. Die Zeitgenossen waren von der Neuheit, der schieren Originalität, der kompositorischen Rücksichtslosigkeit verblüfft, aber auch überfordert. Durch van Swieten gelangten die Sinfonien nach Wien und wurden dort aufgeführt. Mozart und Haydn waren begeistert und ließen sich für ihr eigenes Schaffen inspirieren. Insbesondere Haydn; er schrieb: "Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studiert habe."

Wer einmal eine der Sinfonien hören will, die Carl Philipp Emanuel Bach im Innersten bewegten: An diesem Samstag gibt es in Schäftlarn die Gelegenheit dazu. Da erklingt die fünfte dieser Sinfonien, die in h-Moll, die einzige in einer Molltonart. Außerdem wird eine Sinfonie von Haydn gespielt werden. Und dazwischen singt die Sopranistin Theresa Nelles Arien von Haydn. Und von Bach. Von dem, den wir heutzutage meinen, wenn wir von einem Komponisten namens Bach sprechen, ohne Angabe des Vornamens oder sonstige Zusätze.

Samstag, 23. September, 19 Uhr, Klosterkirche Schäftlarn: Orchesterkonzert mit Werken von C. P. E. Bach, J. S. Bach und Joseph Haydn. Karten zu 38,40/29,40/ 16,40 Euro über München Ticket

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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