SZ-Serie: Tierisch kalt:Jedes Jahr ein neuer Wintermantel

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Astrid Schöne-Zielosko führt den Islandpferdehof in Gelting. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Pferde müssen in der kalten Jahreszeit keineswegs frieren. Die Natur sorgt für das saisonal richtige Fell. Ein Besuch bei den Isländern von Astrid Schöne-Zielosko in Gelting und im Bewegungsstall von Stephanie Pöhlmann bei Lenggries

Von Christa Gebhardt, Geretsried/Lenggries

Von weiß und cremefarben über funchsrot, dunkelorange, schokoladenbraun bis schwarz: In allen Farben und Scheckungen heben sich die Tiere von der weißen Winterlandschaft ab. Die vielfarbigen Islandpferde werden immer beliebter, sagt Astrid Schöne-Zielosko. Sie arbeitet auf dem Geltinger Islandpferdehof von Stefan und Stefanie Waldherr an der Herrnhauser Straße. Sie betreut ihre "Isis", wie sie sie nennt, eine Gruppe von etwa 35 Tieren, alle sogenannte Einsteller, die einen Besitzer haben. Getrennt nach Geschlechtern dürfen die Stuten- und Wallachherden draußen sei, wann sie wollen. Auch wenn's knackig kalt ist. Pferde sind Herdentiere, sie brauchen die Gemeinschaft, um sich geborgen zu fühlen. Astrid Schöne-Zielosko schätzt ihre Isländer sehr, weil sie robust und unkompliziert sind, aber auch sanftmütig und kooperativ. Ihr natürliches Sozialverhalten liege an der Rasse, sagt sie, aber auch an der artgerechten Aufzucht. Wie aber sorgt man für sie in frostigen Zeiten? Sollten die Isländer bei Minusgraden nicht besser drin bleiben im warmen Stall? Und frieren sie nicht auf den Winterweiden?

"Pferde werden oft vermenschlicht", sagt die Mitarbeiterin des Islandhofs. Das menschliche Bedürfnis, es im Winter schön kuschelig warm haben zu wollen, gelte überhaupt nicht für Pferde, und bestimmt nicht für die Isis. Sie verfügen wegen ihres natürlichen Stoffwechsels über eine hervorragende Thermoregulation, mit der sie auch große Temperaturunterschiede ausgleichen können. Gerade bei niedrigen Temperaturen unter dem Nullpunkt und Schnee spielen und toben sie sehr gerne, sagt Schöne-Zielosko. Sie leben ihren Bewegungsdrang auch in den Wintermonaten aus und sind dabei für frostige Tage bestens gerüstet. Streicht man über ihr dickes festes Fell, fühlt sich das an wie ein dicht gewebter, plüschiger Pelz.

Die Natur schneidert Pferden jedes Jahr einen Wintermantel aus Fell und Talgschicht. Da kommt die ausgeklügeltste Goretex-Chemiemischung nicht mit. Wenn die Tage kürzer werden, wächst das Winterfell mit längeren und dickeren Haaren. Je nachdem, wie kalt es ist, werden die Haare aufgestellt, gedreht oder angelegt. Die Talgschicht auf dem Pferdefell macht dieses wasserabweisend. Das Wasser fließt an den oberen Deckhaaren ab, Unterfell und Haut bleiben trocken. Im Fell werden richtige Abflussrinnen gebildet.

Was für die robusten Isländer gilt, stimmt genauso für die Haltung edler Großpferde, wie es Stephanie Pöhlmann in ihrem Bewegungsstall Gut Hohenburg bei Lenggries praktiziert. Ihre circa 35 bis 40 Einsteller, alles private Reitpferde und Turnierpferde, können und sollen sich im Winter vollkommen frei bewegen. Auch sie werden mit ihrem dicken Winterfell in den kalten Monaten zu "Plüschis", erklärt sie. "Der Winter taugt ihnen richtig. Sie mögen Kälte und Schnee." Ihre Pferde, die sich auf 5000 Quadratmetern Bewegungsfläche austoben dürfen, seien sogar im Winter noch lieber draußen als im Sommer. Mehr als im der warmen Jahreszeit hielten sie auch ihre Schlaf-und Ruhephasen lieber im Freien als im Stall ab. Nachteil? Da lacht sie, der Mist verteile sich in den kalten Monaten vermehrt überall draußen, das bedeutet mehr Arbeit für Stallbesitzer und Angestellte. An der Frage, ob die Tiere im Winter eine warme Decke brauchen, scheiden sich die Geister der Pferdehalter. Pöhlmann sagt, sie besitze nicht mal welche. Sie seien einfach unnötig. Viel mehr als an kalten Tagen müsse man bei milden Temperaturen im Winter darauf achten, dass die Pferde beim Ausreiten nicht schwitzen und dann Zugluft abbekommen. Pöhlmanns Tiere können in ihrer mit modernster Technik ausgestatteten Anlage selbst wählen, wann sie fressen, laufen oder ruhen wollen. Die Zugänge zu Futter, Tränke, Stall, Koppel und Freifläche können von den Pferden selbst geöffnet und gesteuert werden. Den gefürchteten "Winterkoller" kennt sie bei ihren Pferden nicht.

Ist ein Pferd aber gezwungen, von November bis Mai im Stall zu bleiben, wie es bei der Boxenhaltung üblich ist, bricht sich seine Energie Bahn, wenn es herausgeholt wird: Es spielt verrückt, geht durch und wird eventuell sogar gefährlich. Diesen Winterkoller kennen Pferdebesitzer, deren Tiere nicht in Offenställen untergebracht sind, schon jeder Versuch, ruhig anzutraben, endet in einem wilden Losschießen. Im Pferdehof Grötz bei Geretsried ist es ausdrücklich Wunsch der Halter, dass ihre Pferde im Winter in der Box bleiben, so Rosie Grötz. Sie bewegen ihre Pferde regelmäßig für ein paar Stunden in der Reithalle, möglichst allein und ohne andere Pferde. Ließe man sie draußen frei laufen, so deren Erfahrung, wirkten sie ängstlich und verstört, verletzten einander oder träten die Zäune kaputt.

Ist der Boden so stark gefroren, dass ausgelassene Bewegung nicht möglich ist, zeigen allerdings auch Pferde aus einer Offenstallhaltung, die 24 Stunden draußen sind, ihr animalisches Temperament. Führt man sie in die Halle, erklärt ein Reiter vom Starnberger See, und nimmt ihnen dann die Halfter ab, toben sie, was das Zeug hält. Klar, es sind eben Pferde.

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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