SZ-Serie: Ehrensache, Teil 4:"Viecherlnarrisch"

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Christine Löffler beschränkt sich mit ihrer Tierliebe nicht auf Hund und Katz: Sie schätzt auch Kröten und ist in deren Wanderzeit nächtelang als Amphibiensammlerin unterwegs

Von Laura Geigenberger

Wolfratshausen - "Die Welt aus den Augen der Kröte zu sehen", schrieb die Schriftstellerin Beatrix Langner einmal, "heißt, ganz unten zu sein. Und wer ganz unten ist, hat eben wenig Freunde." Und ein geringes Ansehen. Das von Kröte, Molch und Frosch war schon immer schlecht, sie haben einen jahrtausendelangen Leidensweg hinter sich. Heutzutage halten die Menschen sie zwar nicht mehr - wie noch im Mittelalter - für eine Ausgeburt der teuflischen Unterwelt, sie nageln keine Frösche mehr auf Bretter oder binden Fieberkranken zur Kühlung Kröten auf den Bauch. Probleme aber verfolgen die Tiere noch immer - sie sind einfach mit der Zeit gegangen: "Seit der Mensch zunehmend Gebiete mit Straßen durchzieht, werden Amphibien jedes Jahr in Massen überfahren", sagt Christine Löffler.

Die 54-jährige Wolfratshauserin gehört zu den wenigen Menschen, die nicht auf die Kriechtiere hinunterschauen, im Gegenteil. Von Anfang März bis Ende April ist sie wochenlang draußen unterwegs, nachts, Dunkelheit und Regen zum Trotz. Sie läuft Kilometer um Kilometer, bückt sich viele Male - alles zum Wohl der Tiere, alles ehrenamtlich. "Amphibiensammeln" nennt sich diese Aufgabe, bei der Freiwillige wie Löffler Kröten, Frösche und Molche auf ihren Wanderungen zu Laichgewässern aufklauben, sie über Straßen tragen und sie so vor dem sicheren Tod durchs Überfahrenwerden bewahren.

Nur keine Berührungsängste: "Und selbst wenn, ich hab doch Handschuhe", sagt Christine Löffler. (Foto: Hartmut Pöstges)

"Mindestens zehn Jahre, eher länger" sei sie als Sammlerin schon aktiv, sagt Löffler. Auch ihr Mann helfe immer mit, und wenn sie Zeit haben, auch die beiden gemeinsamen Töchter. Ihre ganze Familie sei "eh viecherlnarrisch" und gerne in der Natur unterwegs, zum "Radlfahren, Wandern, Skifahren", da decke sich diese Aktivität gleich mit zwei Interessen. "Man braucht ja auch nix dafür", so die Wolfratshauserin, deren resolute Sprechweise erahnen lässt, dass sie jemand ist, der auf Worte stets Taten folgen lässt: "Alte Kleider, Handschuhe, Warnweste, Eimer. Stirnlampe drauf - zack! Los gehts."

Es gibt viele wichtige Amphibienwanderstrecken im Landkreis, die von Straßen gekreuzt werden. Sobald mildes Wetter und rasche Temperaturanstiege zum Frühlingsbeginn Frösche, Kröten und Molche aus ihren Winterverstecken locken und die Zeit der Krötenwanderung beginnt, sei sie hauptsächlich rund um den Bergkramerhof unterwegs, so Löffler. Dort errichte der Bund Naturschutz (BN), für den sie sich engagiere, jährlich saisonal über mehrere hundert Meter mobile Schutzzäune. Diese sollen die Tiere davon abhalten, auf die Straße beziehungsweise unter die Räder zu geraten. "Sie bleiben dort hängen", erläutert Löffler. Sie streife einige Male am Zaun entlang durchs feuchte Gras und setze die gefundenen "Viecher" in Eimer. "Dann tragen wir sie über die Straße und lassen sie nahe einem Laichgewässer wieder frei."

Resolut und umfassend engagiert: Christine Löffler. (Foto: Hartmut Pöstges)

Im Auftrag des BN sei sie in jeder der rund acht bis zehn Wochen an zwei bis drei Tagen unterwegs - je nach Wetter. Das sei, so die Amphibiensammlerin, nämlich entscheidend dafür, wie viel des nächtens los ist: "Kalt und trocken heißt wenig", sagt sie.

"Aber wenn es dunkel, mild und feucht ist, wimmelt es förmlich." Für den BN führen Löffler und weitere Helfer zudem Statistiken, mit denen sie die Anzahl sowie Geschlechter- und Artenhäufungen der Amphibien erfassen. Basierend auf den Zahlen der vergangenen Jahre schätzt der BN, dass allein in einer Nacht mehr als 10 000 Amphibien auf Wanderung sein könnten.

Für die Wolfratshauserin sind das Tausende "Hilfsbedürftige" zu viel. Sie packt gerne an, wo Hilfe benötigt wird, das versteht sie als selbstverständlich. "Das ist doch Ehrenamt: unterstützen von Schwächeren", ist sie überzeugt. Neben ihrem Engagement für den BN sei sie daher gleich in mehreren Vereinen aktiv, spende regelmäßig an Organisationen und beteilige sich seit Jahren bei der Platzkontrolle des Tierschutzes. Ohnehin seien Tiere ihre "große Liebe, egal ob Hund, Katze, Maus - oder eben Kröten". Deshalb habe sie auch keine Berührungsängste - "und selbst wenn, ich hab doch Handschuhe".

Ans Aufhören mit dem Amphibiensammeln denke sie noch lange nicht, sagt Löffler. Der Aufwand sei ja gering und die Abende im Freien machten ihr immer Spaß. "Es ist schön draußen, ruhig", sagt sie. "Die Luft ist so frisch. Manchmal sieht man sogar ein Reh oder Hasen. Und", sie macht eine kurze Pause, "das hört sich jetzt vielleicht komisch an: Aber wenn es warm regnet und es ganz still ist, kann man in so einer Frühlingsnacht wirklich das Gras wachsen hören - das knallt richtig."

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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