Stadtrats-Entscheidung:Die Bahn kommt

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Der Weg für die S-7-Verlängerung ist frei: Die Stadträte von Geretsried und Wolfratshausen stimmen für eine Beteiligung an den Mehrkosten des Tunnels. Doch in einem der Rathäuser ist die Stimmung schlecht

Von Matthias Köpf und Thekla Krausseneck, Geretsried/Wolfratshausen

Die letzten Weichen für die Verlängerung der S 7 von Wolfratshausen nach Geretsried sind gestellt: Beide Stadträte haben am Dienstagabend beschlossen, sich an den Mehrkosten für den Tunnel in Wolfratshausen zu beteiligen, der die neue Trasse ermöglicht. Der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU) zeigte sich gerührt und lobte den starken Zusammenhalt im Stadtrat in dieser "wichtigen und richtungsweisenden Entscheidung". Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) nennt die Verlängerung "das größte Infrastrukturprojekt seit Jahrzehnten". Jeder dritte Bewohner im Landkreis erhalte unmittelbar eine bessere S-Bahn-Anbindung. Die Trasse stärke das wirtschaftliche Herz des Landkreises in Geretsried und Wolfratshausen. "Wenn die Steuerkraft steigt, profitiert der ganze Landkreis."

Nach der bisherigen Planung kostet die Trasse 123 Millionen Euro plus 44 Millionen Euro nur für den Tunnel. Gemäß der Beschlüsse vom Dienstagabend steuern Geretsried und Wolfratshausen je 2,6 Millionen Euro bei, der Kreis 11,9 Millionen, den Rest teilen sich Freistaat, Bund und Bahn. Alle Beträge sind jedoch zum Planungsstand von 2009 berechnet und werden sich weiter erhöhen - nach Hochrechnungen der Kämmerer könnten sie sich verdoppeln, bis frühestens 2025 die Züge fahren. Der Kreistag hatte den Plan vergangene Woche bei zwei Gegenstimmen gebilligt, die Ausschüsse beider Städte hatten einstimmige Vorbeschlüsse abgegeben.

In Wolfratshausen eröffnete ausgerechnet die Fraktion von Bürgermeister Klaus Heilinglechner noch einmal die Debatte: Markus Höft, Josef Praller und Ex-Bürgermeister Helmut Forster forderten im Namen der BVW, den Wolfratshauser Beitrag bei 4,5 Millionen Euro zu deckeln und ihn ferner an eine Fertigstellung bis 2025 zu knüpfen. Sollten die 4,5 Millionen dann nicht gereicht haben, müsse die Stadt neu verhandeln. Der Bürgermeister nannte diese Überlegung legitim, äußerte aber die Befürchtung, dass ein solcher Beschluss das ganze Projekt gefährden werde. Deutlichere Worte kamen von CSU, SPD und Grünen. Nach Ansicht von Annette Heinloth (Grüne) würde der Vorschlag den hinter den Kulissen mühsam errungenen Konsens mit dem Kreis und Geretsried obsolet machen. "Das heißt eigentlich, wir steigen aus", sagte sie. Fritz Schnaller (SPD) beschlich "fast das Gefühl, man will da was verhindern". Er sprach von einer historischen Chance, die Verlängerung in der geforderten Form zu bekommen. Dies bekräftigten Peter Plößl und Manfred Fleischer (CSU), letzterer "aus politischer Räson" und mit erklärter Sympathie für einen Kostendeckel, den er gleichwohl für unrealistisch halte. CSU-Fraktionssprecher Günther Eibl warnte davor, den Konsens aus einer allzu engstirnigen Wolfratshauser Perspektive heraus zu gefährden. "Wolfratshausen wäre die nächsten hundert Jahre im Landkreis eliminiert", sagte er. Angesichts des Widerspruchs zog Praller den BVW-Antrag zurück. Am Ende stimmten nur er, Höft und Kathrin Gschwendtner gegen die Beteiligung. Bereits im Hauptausschuss hatten die Stadträte ihre Zustimmung an die Bedingung geknüpft, dass der Tunnel so gebaut wird, dass die Stadt über den Gleistrog hinweg ihre Flächen im Gleisdreieck erschließen kann. Für Forster ist das der einzige echte Vorteil für Wolfratshausen aus der ganzen S-7-Verlängerung.

In Geretsried war die Stimmung dagegen parteiübergreifend feierlich, profitieren doch die eigenen Bürger am meisten von dem Projekt: Volker Reeh (CSU) lobte das Zusammenspiel von Freistaat, Kreis und den beiden Stadträten und sprach von einem "historischen Tag" für Geretsried. Er sei überzeugt, dass die Stadt die Kosten stemmen könne. Kämmerer Helge Balbiani geht längst von einem Beitrag von 3,3 Millionen Euro aus. Die Finanzierungskosten lägen bei 50 000 Euro im Jahr - für Balbiani eine "verschmerzbare Größe". FW-Fraktionssprecher Robert Lug sagte: "Die Zahlen sind groß. Aber das ist die beste Investition, die diese Stadt je gemacht hat."

Doch es gibt auch Kritiker: Umweltschützer wollen verhindern, dass die Trasse im Geretsrieder Süden ein Naturschutzgebiet quert. Landrat Niedermaier zeigte Verständnis für diese Haltung. "Den Kritikern sage ich aber auch: Wenn Geretsried-Süd nicht angebunden wird, fahren täglich 3000 Autos mehr zur nächsten S-Bahn-Station. Das können die Kritiker nicht wollen."

© SZ vom 29.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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