Sport und Spaß im Freien, Folge 10:Hoch hinauf

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Am Brauneck hat die Münchner IG Klettern viele Routen angelegt. Am Fels können sich selbst Einsteiger ausprobieren - sie brauchen aber professionelle Begleitung

Von Benjamin Engel

Griff um Griff und Tritt auf Tritt: manchmal scheint es ganz mühelos nach oben zu gehen. Doch der kurze Moment ist genauso schnell vorbei - und der Aufstieg stockt plötzlich. Prüfend gleiten die Augen am Fels entlang. Selbst die kleinste Spalte oder der minimalste Vorsprung könnte nun den Füßen oder Händen Halt geben, um weiter aufzusteigen. Doch an der felsigen Wand ist das für den Einsteiger anfangs schwer auszumachen. Dann bleibt manchmal nichts anderes übrig, als sich im Klettergurt nach hinten zu lehnen und sich mit Unterstützung vom Sicherungspartner nach unten abzuseilen.

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(Foto: Benjamin Engel)

Solange es trocken bleibt, kann Philipp Märkl am Fels klettern.

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(Foto: Benjamin Engel)

Im Südosten vor dem Gamskopf-Felsen braut sich schlechtes Wetter zusammen.

Im Unterschied zur Halle - dort sind die Routen klar vorgegeben und an der Farbe der Griffe deutlich erkennbar - müssen die Sportler ihren Weg im Freien nach oben selbst finden. Körperkraft ist dafür zwar wichtig, aber allein kaum ausreichend. "Klettern ist ein ganzheitlicher Sport", sagt der 27-jährige Dario Bepler von der Interessengemeinschaft (IG) Klettern München & Südbayern. "Man braucht Kraft in Armen, Rumpf und Beinen, aber auch Beweglichkeit und Technik." Trotzdem ist der Sport familientauglich. Mit professioneller Begleitung können sich selbst Kinder am Klettern versuchen wie etwa auf dem Lenggrieser Hausberg Brauneck. Seit rund zehn Jahren hat die IG Klettern dort viele Routen am Fels erschlossen.

Kletterneulinge finden beispielsweise an der Westseite des 28 Meter hohen Gamskopfs leichte Routen zum Einstieg. Die beiden Klettertrainer, Dario Bepler und der 32-jährige Philipp Märkl, nutzen den rund 20 Minuten von der Bergstation entfernten Fels für Schulungen. Schon als Kind ist Märkl mit seinen Eltern viel gewandert und natürlich auch ein bisschen "gekraxelt", wie er sagt. Mit 20 buchte er einen Kurs in der Halle der IG Klettern nahe des Münchner Ostbahnhofs - genau am 26. Februar 2006. Seitdem dreht sich für ihn in der Freizeit alles nur noch ums Klettern. Ihn reizt die Herausforderung im Kampf gegen sich selbst. Denn am Fels sei jeder mit sich alleine beschäftigt, schildert er. "Ich kann fokussiert sein und den Kopf frei machen." Die eigenen Grenzen ließen sich ausloten. "Ich suche mir auch Mal etwas Schweres, an dem ich mich abarbeiten kann", sagt Märkl.

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(Foto: Benjamin Engel)

Für den Sport braucht es Kraft,...

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(Foto: Benjamin Engel)

...Beweglichkeit und Technik, sagt Dario Bepler.

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(Foto: Benjamin Engel)

Ein doppelter Achterknoten hält die Kletterer sicher am Seil.

Für den Sport braucht es allerdings immer mindestens zwei versierte Kletterer. Einer steigt voran und muss das Seil an den im Fels verankerten Haken der gewählten Route mit sogenannten Expresssets - zwei durch eine Bandschlinge verbundenen Karabinerhaken - fixieren. Das dient der Zwischensicherung, sollte der Kletterer stürzen. Vom höchsten Punkt der Route, dem sogenannten Umlenker, wird das Seil wie durch eine Schlaufe wieder nach unten geführt. Der Kletterpartner am Boden sichert den anderen.

Bevor es losgeht, muss zuerst die Ausrüstung korrekt angelegt werden. Für den optimalen Grip am Fels braucht es Kletterschuhe. Am Klettergurt wird das Seil mit einem doppelten Achterknoten fest verbunden. Ein Helm schützt etwa vor Steinschlag. Ob alles passt, prüfen die Kletterer im Vier-Augen-Partner-Check.

Wer in freier Natur klettert, muss erst das Gefühl für den Halt der Schuhe am Fels finden. Augenmaß und Geduld erfordert es, den richtigen Punkt für den nächsten Griff oder Tritt zu suchen. Wer sich nicht mehr weiter traut, kann sich jederzeit vom Partner abseilen lassen. Am Klettern reizt Bepler neben der athletischen Herausforderung genau dieses Zusammenspiel. "Es ist die Kombination, dass ich etwas für mich selbst mache, was ich aber nicht alleine machen kann", erklärt er. Je mehr Leute zusammen seien, desto mehr Spaß mache es. "Der eine kann sich vom anderen auch leichter etwas abschauen."

Am Brauneck finden die Kletterer Routen aller Schwierigkeitsgrade. Sie sind nach der Skala der UIAA (Union Internationale des Associations d'Alpinisme) von 1 bis 12- eingeteilt. In den vergangenen Jahren hat das Klettern einen deutlichen Boom verzeichnet. Wie Bergführer Tom Hesslinger von der Tölzer Alpenvereinssektion schildert, kommen allein in die Tölzer halle 30 000 Kletterer. Nur ein Bruchteil davon versucht sich im Freien - nach seiner Schätzung deutlich weniger als zehn Prozent. In der Halle sind die Hakenabstände einheitlich gesetzt und die Route vorgegeben. "Drinnen weiß man, wo man hintreten muss", berichtet Hesslinger. Im Freien solle man sich bewusst sein, dass "jeder Fehler der letzte gewesen sein kann". Es brauche Erfahrung, einen professionellen Umgang mit der Ausrüstung und gute Vorbereitung. Für Hesslinger - er klettert seit 35 Jahren - ist der Sport eine Lebenseinstellung. "Er fordert nicht nur den Körper, sondern auch den Geist", sagt er. Es gehe darum, sich zu überwinden. "Wenn man etwas geschafft hat, ist das Gefühl geil."

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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