Sozialcard:Wenig Geld trotz harter Arbeit

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Immer mehr Menschen, deren Einkommen kaum zum Leben reicht, nutzen die Sozialcard. Vertreter von sozialen Einrichtungen sehen das mit Sorge.

Wolfgang Schäl

Die Sozialcard soll bedürftigen Menschen eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Sie wird immer mehr auch von Kreisbürgern in Anspruch genommen, die noch mitten im Berufsleben stehen und nicht von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder einer schmalen Rente leben. Die Einkünfte einer wachsenden Zahl von Arbeitnehmern seien so niedrig, dass es ihnen unmöglich sei, damit eine Familie zu ernähren, sagen übereinstimmend Ines Lobenstein von der Wolfratshauser Obdachlosenbetreuung, der evangelische Wolfratshauser Pfarrer Florian Grube und Fachdienstleiter Thomas Faller vom Kreisverband der Caritas in Bad Tölz.

Mit der Sozialcard bekommen Geringverdiener und Empfänger von Sozialleistungen an vielen Stellen Vergünstigungen. (Foto: Hartmut Pöstges)

In konkrete Zahlen fassen könne sie die aktuelle Entwicklung nicht, sagt Lobenstein. Doch seit Einführung der Karte sei viel passiert. Die "gefühlte Nachfrage" nach der Sozialcard, die eine Menge Vergünstigungen umfasst und beispielsweise zum Lebensmittelbezug über die "Tafeln" und zum Einkauf in den Möbelmärkten der Caritas und des BRK berechtigt, sei seit 2010 deutlich angestiegen. Als besonders bitter bezeichnet es die Sozialpädagogin, dass just die Geringverdiener, oft Angestellte von Zeitarbeitsfirmen, die Leistungen der Sozialcard nur bedingt in Anspruch nehmen können, weil sie ja beruflich den ganzen Tag unterwegs seien, die Vergünstigungen aber sehr gut brauchen könnten.

Da sind Leute dabei, die machen einen totalen Knochenjob und kommen mit 1100 Euro brutto heim." Das sei schlicht ein Witz, insbesondere vor dem Hintergrund der enormen Mieten. Erschwinglicher Wohnraum stehe praktisch nicht mehr zur Verfügung. "Unser Obdachlosenheim ist voll von Leuten, die keine günstige Wohnung finden", sagt Lobenstein. "Es gibt ganz einfach keine." Betroffen sind nach ihren Erfahrungen vor allem Alleinerziehende, aber auch ältere Menschen. Es sei einfach schlimm, beklagt Lobenstein, "wenn Menschen ihr Leben lang gearbeitet haben und am Ende dann trotzdem kein angemessenes Leben führen können."

Die Armut nimmt deutlich zu" - das stellt auch Pfarrer Gruber nicht nur anhand der Sozialcard fest, sondern auch mit Blick auf die Unterstützung, die sein Pfarramt jeden Monat aus Spendenaufkommen an Bedürftige vergibt. "Das sind deutlich vierstellige Beträge jeden Monat", sagt Gruber. Die prekäre Lage der Betroffenen sei ihm und den weiteren Verantwortlichen bewusst, deshalb habe man die Gewährung der Sozialcard auch nicht unmittelbar von der Sozialhilfe abhängig gemacht, sondern vom 1,25-fachen des Sozialhilfesatzes, wobei die Miete vorher abgezogen werde. Vorteil der Sozialcard sei es, dass die Antragsteller ihre Unterlagen nicht für jede einzelne Leistung einreichen müssen, sondern nur einmal. Das trage dazu bei, "den Bedürftigen das Stigma zu nehmen". Thomas Faller von der Caritas formuliert es so: "Sie müssen sich nur einmal outen."

Als einzige Gemeinde im Landkreis stellt Lenggries die Sozialcard selbst aus, hier liegen auch Zahlen vor, die das wachsende soziale Problem verdeutlichen: Im Jahr 2008, als die Karte eingeführt wurde, haben 28 Personen sie beantragt, 2011 waren es bereits 76. Schlecht Verdienende seien hier allerdings die Ausnahme, sagt Heidi Kiefersauer vom Sozialamt der Gemeinde, man habe es mehr mit Empfängern von Arbeitslosengeld II und Grundsicherung zu tun.

Ein Trost mag für die Betroffenen sein, dass die Wohlfahrtsverbände, die zur Ausgabe der Karte berechtigt sind, zum Wohl der Antragsteller eng kooperieren - im Landkreis sind dies das Rote Kreuz, die Caritas und die Diakonie. Immer wieder kommen deshalb Anfragen aus Nachbarlandkreisen, wie dies auf so breiter Ebene funktionieren könne. Das Geheimnis aus Fallers Sicht: "Wir können's einfach miteinander."

© SZ vom 13.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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