Schüleraustausch:Zum Praktikum nach Rumänien

Lesezeit: 2 min

Elftklässler der Tölzer FOS lernen Berufsalltag in Temeswar kennen. Nächstes Jahr reisen Schüler nach Spanien

Von Suse Bucher-Pinell, Bad Tölz

Zum Schulalltag an der Fachoberschule (FOS) gehören Praktika wie die Nacht zum Tag. Im dreiwöchigen Turnus tauschen die jungen Leute auf dem Weg zum Abitur Schulbank und Berufswelt, wechseln von Theorie zur Praxis und umgekehrt. So will es das Konzept der Beruflichen Oberschule im Gegensatz zum Gymnasium. Dabei wird der Bewegungsradius der Tölzer FOS immer größer und europäischer. In diesem Schuljahr bot sie für die elften Klassen erstmals einen Schüleraustausch, gekoppelt mit einem Auslandspraktikum, in Rumänien an. Im nächsten Jahr wird sich der Kreis bis nach Spanien erweitern. "Auslandspraktika passen sehr gut zu uns", sagt Karin Lux, Leiterin des Projekts. Die Anpassung an die Lebens- und Arbeitswelt eines anderen Landes führe zu einer persönlichen Reifung im Sinne von Toleranz und Offenheit.

Karin Lux ist überzeugte Europäerin. Sie wurde in Rumänien geboren, lebte dann lange in Deutschland und verbrachte zuletzt acht Jahre in Spanien als Lehrerin an einer deutschen Schule. Seit ihrer Rückkehr unterrichtet sie an der Tölzer FOS Deutsch, Englisch und Religion. Kontakte nach Rumänien hatte die FOS noch von einem Austausch, der viele Jahre zurück liegt. Lux fiel es nicht schwer, diese wieder aufleben zu lassen und eine Partnerschaft mit dem englischsprachigen Liceul Shakespeare zu begründen. 14 Schüler reisten in Begleitung von Lux und Schulleiterin Maria-Anna Grimm im März nach Temeswar, einer der größten Städte des Landes, lebten in Gastfamilien und schnupperten drei Wochen lang Berufs- und Alltagsluft. Theater, Fitnessstudio, Kindergarten, Fertigungsbetrieb - sie alle hatten Praktikumsstellen zur Verfügung gestellt. Klara Kiessler hatte sich die Redaktion der deutschsprachigen Karpatenrundschau ausgesucht, in der sie das Austauschprojekt, das 13 rumänische Schüler mit einem Besuch in Tölz bereits im Januar eröffnet hatten, vorstellen und kommentieren durfte.

Für die damals 16-Jährige wäre Rumänien nicht gerade das Land ihrer Reiseträume. Die Erfahrungen möchte sie dennoch nicht missen. Nie hätte sie die Kluft zwischen Reich und Arm so drastisch erwartet. "Der Porsche auf der einen Straßenseite und Arme auf der anderen, so krass habe ich mir das nicht vorgestellt", erzählt sie. Auch die Jugendlichen lebten dort etwas anders, als sie es von zu Hause kennt. Sie gingen nicht so viel aus wie in Deutschland, einfach so bei Freunden zu übernachten, das nicht möglich. Aufgefallen sei ihr auch die Höflichkeit der Rumänen, die immer gleich etwas zu essen angeboten hätten. So reichlich, dass man es gar nicht habe aufessen können. Überrascht hat sie, wie viele Menschen in Rumänien noch Deutsch sprechen, obwohl als Verkehrssprache weitgehend Englisch und vor allem kommunikatives Improvisationstalent gefordert gewesen sei. "Transkulturelles Lernen", nennt das Karin Lux, die mit Maria-Anna Grimm in der ersten Woche alle Praktikanten am Arbeitsplatz besuchte, ehe beide die Heimreise antraten. Lux ist davon überzeugt, dass Ängste überwunden werden, wenn man Andere in ihrem Lebensumfeld kennenlernt. "Es wird eine solide Grundlage geschaffen für ein europäisches Miteinander." Für den zukünftigen europäischen Arbeitsmarkt sei das unerlässlich. Diese Öffnung der FOS unterstütze das Kollegium samt Schulleitung.

Beim ersten Mal hatten die Lehrer die Praktikumsstellen besorgt. Wenn im September die nächsten Elftklässler aufgefordert sind, sich mit Spanien auseinanderzusetzen, sind die Schüler dran. Karin Lux wird ihnen dann den Europapass an die Hand geben, den EU und Berliner Bildungsministerium herausgeben. Mit dessen Hilfe können Qualifikationen, Fähigkeiten und Kompetenzen europaweit verständlich und standardisiert dargestellt werden. Es ist der nächste Schritt auf dem Weg zur europäischen Öffnung der FOS. "Im Hinblick auf den europäischen Arbeitsmarkt ist diese Öffnung auf jeden Fall sinnvoll", sagt Lux.

© SZ vom 29.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: