S 7:Teuer und kontrovers

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Der Wolfratshauser Hans Gärtner schlägt vor, die Bahntrasse unter die Sauerlacher Straße zu legen. Die Bahn hält diese Lösung nicht für finanzierbar. Der Vorschlag soll am Mittwoch bei einem Runden Tisch mit allen Beteiligten vorgestellt werden.

Von Matthias Köpf

Obwohl das Projekt bereits mitten im Planfeststellungsverfahren steckt, will Hans Gärtner nicht aufgeben. Das Wolfratshauser SPD-Mitglied hat eine grobe Idee, die eine Initiative 2007 schon einmal vorgebracht hatte, detailliert überarbeitet. Am Freitag hat er sein Ergebnis den Sozialdemokraten vorgestellt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Planer und Politiker treffen sich an diesem Mittwochabend im Münchner Innenministerium zum Runden Tisch über die S 7-Verlängerung nach Geretsried. Gegenstand des von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Wahlkampf zugesagten Spitzengesprächs sind dann auch die alternativen Pläne des Wolfratshausers Hans Gärtner für eine Tieferlegung der Trasse unter der Sauerlacher Straße hindurch. Eine solche Lösung wird in Wolfratshausen vehement und mit großer Mehrheit gefordert, während die Planer der Bahn das Projekt zuletzt nur mit einem beschrankten Bahnübergang für bezahlbar hielten. Das SPD-Mitglied Gärtner hat seine Ideen am Freitagabend im "Passagentreff" der Wolfratshauser Sozialdemokraten noch einmal öffentlich vorgestellt. Die SZ fasst die wichtigsten Aspekte zusammen.

Worin unterscheidet sich Gärtners Vorschlag von den Plänen der Bahn?

Im Gegensatz zu der Planung, mit denen die Bahn ins Planfeststellungsverfahren gegangen ist, legt Gärtner die S 7-Trasse samt einem Tiefbahnsteig in einen Gleistrog unter die Sauerlacher Straße. Auch von der Bahn gibt es eine solche Variante, die sie selbst aber nicht als finanzierbar ansieht. Im Unterschied dazu lässt Gärtner das bestehende Industriegleis nach Geretsried an der Oberfläche, weshalb der Gleistrog kürzer ausfallen und eine Ersatztrasse für die Kesselwagen während der Bauzeit sehr viel einfacher ausfallen könnte. Die Königsdorfer Straße führt Gärtner in seiner Hauptvariante unter statt über die Gleise. Der Straßentrog wäre kürzer als ein Bahntrog und läge über dem Grundwasser, der Bau würde einfacher und teuerer. Die S 7 würde in dem Abschnitt dann aber über einen gut zwei Meter hohen Damm fahren.

Warum ist die Bahn nicht selbst auf diese Lösung gekommen?

Die Bahn hat eine Tieferlegung der gesamten Trasse geplant und als zu teuer verworfen. Die Lösung mit obenliegendem Industriegleis hatte eine Wolfratshauser Initiative um Roland Dautenhahn 2007 schon einmal vorgeschlagen, jedoch nicht so detailliert und anschaulich wie Gärtner. Die Bahn-Planer haben die Anregung nicht aufgenommen und dafür bisher keinen Grund genannt. Einen Bahndamm mit Überführung der Königsdorfer Straße zu planen, hat sich die Bahn schlicht nicht getraut, weil sie erheblichen Widerstand der Anwohner an der Zugspitzstraße und den Straßenbauamt befürchtete.

Ist Gärtners Vorschlag bezahlbar?

Im Vergleich zur Schrankenlösung der Bahn ist Gärtners Lösung auf jeden Fall teuer. Das für die Realisierung mit Steuergeld entscheidende Nutzen-Kosten-Verhältnis von über Eins erreicht sie sicher nicht. Grund dafür ist, dass die Einsparungen durch den einfacheren Bau und durch die Umplanung an der Königsdorfer Straße sicher geringer sind als die Mehrkosten für die Tieferlegung an der Sauerlacher Straße. Gärtner selbst rechnet im Vergleich zur Schrankenlösung überschlägig mit Mehrkosten von 13 bis 20 Millionen Euro. Aus dem Nutzen-Kosten-Verhältnis der umstrittenen Schrankenlösung von 1,09 errechnet er einen theoretischen Spielraum von 9,8 Millionen Euro, um die das Projekt teuer werden dürfte, ohne unter den entscheidenden NKU-Wert von 1,0 zu sinken. Aus beiden - von Gärtner nur überschlagenen - Zahlen ergäbe sich für seinen Vorschlag ein Betrag von wenigen Millionen Euro, um den er den Wert 1,0 verfehlt. Allerdings ist schon die Schrankenlösung knapp kalkuliert und nach Ansicht vieler Kritiker auch auf der Nutzen-Seite schöngerechnet, weil darin beispielsweise immer noch Fahrgäste zum längst gescheiterten Geretsrieder Wellness-Tempel Spaladin auftauchen. Die Grundlagen der Nutzen-Kosten-Rechnung gibt die Bahn nicht heraus - auch nicht an die übrigen Beteiligten und nicht an Gärtner, dem das die Arbeit wesentlich leichter gemacht hätte.

Was würde Gärtners Lösung für Stadt, Anwohner und Fahrgäste bedeuten?

Die Stadt müsste statt mit einer Schranke mit einem Gleis-Graben und einem Damm leben, wobei sich der Graben mit einem gewissen Mehraufwand überdeckeln und die neue Fläche nutzen ließe. Für die Anwohner speziell an der Zugspitzstraße bliebe die Trasse in nächster Nähe auch auf einem Damm ein Ärgernis - und zwar wohl ein noch größeres. Ferner bräuchte ihre Siedlung wegen des Straßentrogs eine neue Zufahrt von der Königsdorfer Straße her. Gärtner hat eine Zufahrt geplant, ob das Straßenbauamt zustimmen würde, ist aber offen bis unwahrscheinlich. Mit den Anwohnern hat Gärtner schon im November gesprochen und dann Anregungen eingearbeitet. Sie wissen seinen Einsatz zu schätzen, haben aber teilweise bereits angekündigt, auch gegen seine Lösung Einwände zu erheben. Die Fahrgäste müssten in Wolfratshausen künftig eine Tiefbahnsteig statt den ebenerdigen benutzen, könnten ihn aber von beiden Seiten der Sauerlacher Straße her erreichen.

Was bedeutet der Vorschlag für das laufende Planfeststellungsverfahren?

Das Verfahren läuft auf eine Erörterung der zahlreichen Einwände im Sommer zu und dreht sich nur um die Schrankenlösung. Soll Gärtners Vorschlag in das Verfahren eingehen, dann müssen es Bahn und Politik stoppen, die Pläne in den entsprechenden Abschnitten ändern und sie abermals auslegen und Einwände sammeln. Dies bedeutet eine weitere Verzögerung, die Gärtner allerdings aufzuholen hofft, wenn die Wolfratshauser Seite auf langwierige Klagen wie gegen die befürchtete Schrankenlösung verzichtet.

Wie könnte es nun weitergehen?

Der Runde Tisch am Mittwoch könnte beschließen, Gärtners Vorschlag weiter auszuarbeiten und mit einer Kostenschätzung versehen zu lassen, um mehr über die technische und finanzielle Realisierbarkeit zu erfahren. Dazu wäre zumindest eine Machbarkeitsstudie notwendig.

Wer trägt die Kosten?

Die Staatsregierung hat zum Runden Tisch geladen und könnte wohl für die weiteren Planungskosten aufkommen. Der Vorsitzende der schrankenkritischen Bürgerinitiative BIQ, Alfred Fraas, hat Gärtner am Freitag ein anderes Angebot gemacht. Demnach würde das Büro Vieregg-Rössler die Planung für etwa 3000 Euro prüfen, jeden Euro darüber hinaus zahle er, Fraas, aus eigener Tasche. Zugleich trug der CSU-Stadtrat Fraas eine erste Einschätzung von Vieregg-Rössler vor, in der sie zu Gärtners Ideen Bedenken äußerten und ihren eigenen Vorschlag verteidigten. Dieser war auf Bestellung der Städte Wolfratshausen und Geretsried entstanden, aber von der Bahn als mangelhaft zurückgewiesen worden. Gärtner hat ihn nun weiterentwickelt. Er bedankte sich für Fraas' Finanzierungsangebot, lehnte aber fürs Erste ab. Er wolle den Runden Tisch nicht von Anfang an mit Misstrauen belasten, sondern in einer Atmosphäre des Vertrauens dessen Ergebnisse abwarten.

© SZ vom 21.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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