Rotkreuz-Helfer:Erschöpft und doch zufrieden

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Claudia Hermann berichtet von ihren Erfahrungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen.

Von Felicitas Amler, Geretsried/München

Die Schokolade war diesmal besonders wichtig: Claudia Hermann packt immer etwas davon ein, wenn sie als Mitglied der Schnelleinsatzgruppe Betreuung und Verpflegung des Rotes Kreuzes im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen alarmiert wird. Am Wochenende war die 28-jährige Geretsriederin zusammen mit elf Kollegen in der Notaufnahme für Asylsuchende im Messegelände München-Riem im Einsatz. Nervennahrung konnten die Ehrenamtlichen da mehr denn je brauchen. "Als wir um 21 Uhr ankamen, waren 500 Flüchtlinge da, um 22.30 Uhr haben wir offiziell den Dienst übernommen, da waren es schon 800, und nachts um zwei sind wir durch die Hallen gegangen, um zu zählen, da waren es 1730." So viele Menschen in drei riesigen Hallen, alle galt es zu begrüßen, einzuweisen, mit Getränken und Essen zu versorgen. Die Verständigung? "Englisch, Hände und Füße", sagt Claudia Hermann. Die Stimmung? "Ruhig." Die Flüchtlinge, die vom Münchner Hauptbahnhof direkt nach Riem kamen, seien einfach nur froh gewesen, ein Dach über dem Kopf zu haben.

Claudia Hermann, gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin, ist Mutter einer zweijährigen Tochter und gerade in Elternzeit. Die Frage, was sie beim Asyl-Einsatz am meisten beeindruckt hat, beantwortet sie schnell: "Die vielen kleinen Kinder und Säuglinge. Es gab sogar eine beginnende Geburt, es war knapp, dass das Baby auf der Messe geboren wurde." Und dann sei da eine Familie mit einem zwei Monate alten Kind gewesen - Hermann sagt, das sei doch für uns hier unvorstellbar: "Entweder sind die gleich nach der Geburt los, oder das Kind ist auf der Flucht zur Welt gekommen."

Einsatzort: die Riemer Messehallen. (Foto: Florian Peljak)

Die Geretsrieder Schnelleinsatzgruppe war von Samstagnacht bis Sonntagmittag in den Messehallen beschäftigt. Geschlafen hätten sie nicht, berichtet Hermann, nur ab und zu die Füße hochgelegt und ein wenig gedöst. Ja, das sei sehr anstrengend gewesen: "Wir waren echt fertig und oft den Tränen nah." Aber es seien auch sehr viele private Helfer gekommen, Leute, die einfach mit anpacken wollten. "Ein Pärchen hat bis nachts um drei Uhr Betten mit aufgebaut, und am Sonntagvormittag um elf waren sie schon wieder da."

Auch Claudia Hermann und die anderen Mitglieder der Schnelleinsatzgruppe leisten ihren Dienst ehrenamtlich. Sie haben eine umfassende Ausbildung in Erster Hilfe und als Betreuer bei "Großschadenseinsätzen" hinter sich und werden etwa bei Bränden alarmiert, um sich um jene zu kümmern, die nicht medizinisch versorgt werden müssen. Auch beim Hochwasser in Deggendorf war die Rotkreuz-Gruppe aus Geretsried und Schlehdorf im Einsatz. Den Piepser, über den sie am Samstag um 19 Uhr alarmiert wurden, haben die Ehrenamtlichen immer bei sich. Nach Riem starteten sie von der Rotkreuz-Wache an der Geretsrieder Jeschkenstraße aus mit einem Mannschaftstransporter und einem Lastwagen, der mit Decken und Kissen, Biertischgarnituren und Registraturmaterial beladen war. Auch im Gepäck: zwei Fahrräder, "um diese weiten Wege in den riesigen Hallen zu bewältigen".

Die schnelle Gruppe aus Geretsried: Korinna Hildebraund, Claudia Hermann, Monika Hermann, Christina Möbius, Sibylle Karl. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Auf die Aufnahme von Flüchtlingen ist die Einsatzgruppe nicht speziell vorbereitet, daher sei alles nach dem Prinzip "learning by doing" gelaufen, sagt Claudia Hermann. Was sie vor allem gelernt hat? "Dass man mit wenigen Sachen so viel erreichen kann."

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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