Rezension:Zum Abheben

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Das "Stefanie Boltz Quartett" in Oberambach

Von Barbara Szymanski, Oberambach

Es hat beides gehalten am Sonntagabend: das Wetter und der weite musikalische Bogen. Gespannt hat diesen das Stefanie Boltz Quartett in der Remise des Schlossguts Oberambach im Rahmen des Seejazz Festivals - einen spannungsgeladenen Bogen aus Rhythm & Blues, Funk, Jazz, mitunter sogar hartrockigen Elementen bei den Kompositionen der Singer-Songwriterin, die so gar nicht nach Liedermacher-Art aufgebaut sind. Sie schweben an diesem besonderen Ort, den Kutschenhof mit uraltem Gebälk, in den immer dunkler werdenden Sommerhimmel; frech und wild oder zart und verletzlich. Das grooved, das swingt, das reißt mit und veranlasst das Publikum im besten Alter immer wieder zu juvenilen Freudenrufen und Applaus.

Doch es gibt keine ausgeprägten Soli und lange Improvisationen zu beklatschen. Die Instrumentalisten spielen mit großer Leidenschaft und Intensität eher Zitate oder Einwürfe der Songmelodie wie bei "Adorable Stupid Girls" oder dem kocketten "Naked Pony Ride" mit seinen heftigen rockigen Nebensätzen. Diese schreiben der Gitarrist Martin Kursawe, der Schlagzeuger Tilman Herpichböhm und der Bassist Sven Faller so farbig und aufrührerisch, dass die Beine der Zuhörer nicht still bleiben können.

Und über allem schwebt diese Stimme. Die Stimme der Sängerin und Liedermacherin Stefanie Boltz. In den Songs ihres Albums "The Door" tanzt sie gesanglich über drei Oktaven. Klingt in einem Moment kindlich, im nächsten reif und abgeklärt. Mühelos erzählt sie ihre Geschichten aus dem Leben und für das Leben. In der Höhe kantig und bluesig, in der Mittellage fraulich und warm und bei den tieferen Tönen samtig und vieldeutig.

Gefesselt schaut man zu, wie diese fast immer schwarz gekleidete puppenhaft-zarte Frau mit dem ganzen Körper singt und swingt. Sie kommt mit kleinen, wie ferngesteuerten Gesten zurecht. Auch wenn sie stimmlich ausbricht oder hohe Höhen erklimmt. Wenn ihre Stimme nach unten sinkt, klagt und fast nur haucht, dann erscheint das immer mühelos und losgelöst, obwohl sie barfuß singt und somit geerdet auf den Brettern der Bühne steht und ein wenig tanzt. Dies nun fast wie eine Puppet on an string.

Im zweiten Set endlich eine Kostprobe des in der Konzertszene fast schon legendären Duos: Stefanie Boltz und Sven Faller am Bass. Wie das zustande kam, Bass und Stimme? Sie wisse es nicht. Das Publikum ist gebannt von der besonderen Temperatur und Stimmung bei "Here Comes The Sun". Der Bassist, an diesem Abend am E-Bass, begleitet nicht nur, sondern entwirft die zweite Stimme, oft mit einer Quinte über oder unter der Melodie. Und immer wieder schwankt Faller zwischen jazzigen Sequenzen, Rock, Pop und Funk und natürlich Jazz im weitesten Sinne.

Die Intros bei fast allen Stücken sind kleine Kunstwerke und haben eine andere Aufgabe, als lediglich eine Nummer einzuleiten. Einmal ist es der an Blech und Fell klöppelnde, tupfende oder heftig zur Sache gehende Drummer Herpichböhm, der ein langes Solo als Liedanfang gestaltet, mal der Bassist. Dann wieder der Gitarrist Kursawe, der mit viel Drive, Druck und knackigen Riffs die Songs einleitet. Viele der Kompositionen von Stefanie Boltz sind kunstvoll aufgebaut und dennoch leicht verdaulich. Die von Faller geschriebenen kommen gar lyrisch daher, verdichtet, fein arrangiert und fast mit dem Potenzial eines Hits. Wenn man denn die englischen Texte versteht, wie sie die Sängerin auf ihre eigene Art ausformuliert, dann bekommt der Zuhörer so manchen Tipp fürs Leben mit: Keine halben Sachen machen. Das Quartett zeigt, was das bestenfalls bedeutet.

© SZ vom 13.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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