Reinigungsarbeiten:Sisyphos braucht mehr Helfer

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Die Schäftlarner Gartenfreunde wollen das alles überwuchernde Springkraut beseitigen. Es kommen aber nur fünf Freiwillige

Von Susanne Hauck, Schäflarn

Die Gartenfreunde Schäftlarn haben zum Kampf gegen einen unliebsamen Eindringling aufgerufen. Doch dem Schlachtruf folgen von 100 Mitgliedern nur wenige: Gerade einmal fünf wollen dem gefürchteten Indischen Springkraut den Garaus machen. Und dann beginnt auch alles noch mit einem Missverständnis.

Tief im Wald am Parkplatz vor der Kompostieranlage Schäftlarn wächst eine schier undurchdringliche Wand fast mannshoher grüner Monster empor. Davor liegt schon einer der Übeltäter am Boden, ausgerissen mit Stumpf und Stiel. Um kurz vor zehn Uhr haben sich Jutta Büttner und Gerd Zattler am Treffpunkt eingefunden. Noch ist Hoffnung, dass weitere Mitstreiter zu der erstmals stattfindenden Aktion erscheinen. Doch als außer dem Ehepaar Fehr niemand mehr dazustößt, macht sich Enttäuschung breit. Denn mit den paar Leuten kann kein großes Terrain beackert werden, schon gar nicht in zwei Stunden. "Dabei haben alle Zeitungen den Termin abgedruckt und jeder hat noch eine Einladung geschickt bekommen", bedauert Büttner, die Schriftführerin des Vereins. Kassier Zattler gibt zu bedenken, dass die meisten Mitglieder schon über siebzig seien.

Das Springkraut gehört zu den Flachwurzlern und lässt sich einfach ausrupfen, wie Ingrid Rühmer zeigt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Handvoll Getreuer geht aber hoch motiviert ans Werk. Mit der ausgerupften Pflanze in der Hand erklären die Gartenfreunde die Bedrohung. "Ein Regentropfen oder eine andere Berührung genügt, dass die Kapsel aufspringt und die Samen bis zu sieben Meter weit herausschleudert", sagt Zattler. Bis zu 4000 Samen liefere das einjährige Gewächs. Gefährlich sei es deshalb, weil es wie wahnsinnig wuchere und einheimische Pflanzen verdränge.

Das Kraut muss raus, ehe sich im Juli die erste Blüte zeigt. Doch bevor die Teilnehmer Hand anlegen können, kommt Ingrid Rühmer gerade noch rechtzeitig angeschossen. "Was ihr da habt, ist doch gar kein Springkraut!", ruft die frühere Vorsitzende des Vereins warnend. Vier fassungslose Gesichter wenden sich ihr zu. Wie kann das sein? "So schwer, wie das aus dem Boden geht, kann das kein Springkraut sein", erklärt Rühmer und zieht zum Beweis mit aller Kraft an einer der Pflanzen, von der niemand weiß, wie sie heißen. Sie führt die Gruppe ein paar Meter weiter zum Gelände der Kompostieranlage, wo das echte Springkraut die ganze Böschung überwuchert. Der Wuchs ist noch niedrig, aber das täuscht: Es kann bis zu 2,50 Meter hoch werden. Die Stiele sehen aus wie dicke Röhren und sind innen hohl.

Einen ganzen Berg an dem unliebsamen Unkraut hält Jutta Büttner in die Höhe. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Neophyten heißen diese Einwanderer aus fremden Lebensräumen. Rühmer erklärt, dass das aus dem Himalaja stammende Springkraut nicht einmal versehentlich eingeschleppt, sondern wegen der hübschen lila Blüten früher absichtlich als Zierblume in den Gärten angepflanzt wurde. Mittlerweile ist es nicht mehr zu stoppen und hat sich überall in Europa verbreitet. Das Problem: Andere Pflanzen haben keine Chance mehr, selbst robuste Brombeeren oder Brennnesseln werden unter dem Blätterdach erstickt.

Der unerwünschte Gast leistet wenigstens keinen Widerstand. Ein kleiner Ruck, und schon ist er mitsamt der Wurzel herausgezogen. Im Nu sind riesige Berge aufgehäuft, die Jutta Büttner zur Kompostieranlage schleppt. An den abgeräumten Stellen wird sofort der "Bienenfreund" Phacelia nachgesät.

Mit einmal Roden ist es aber nicht getan. Vier Jahre hintereinander muss das geschehen, damit nichts mehr nachwächst. Denn so lange noch können Samen im Boden aufkeimen. Anderswo haben die Menschen den Kampf schon aufgegeben. In den Isarauen etwa hilft kein Jäten mehr: "Das wäre eine reine Sisyphos-Arbeit", so Gerd Zattler. Auch an der Aufkirchner Straße ist der ganze Wald überwuchert, seitdem ausgeholzt wurde und sich der Neophyt durch den stärkeren Lichteinfall ungehindert vermehren konnte. Trotzdem wollen sich die Gartenfreunde nicht geschlagen geben und wenigstens dieses kleine Revier an der Kompostieranlage verteidigen. "Wir schaffen viel", sagt Ingrid Rühmer optimistisch.

© SZ vom 22.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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