Reaktionen auf das Wahlergebnis:Überraschende Sieger

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Andreas Wagner von der Linken rechnet mit einem Mandat, Karl Bär (Grüne) hofft darauf. Die SPD schwört sich auf die Opposition ein, die FDP zweifelt an Jamaika und die Zahlen der AfD trüben die Stimmung

Von Konstantin Kaip, Ingrid Hügenell und Elena Winterhalter, Bad Tölz-Wolfratshausen

Im Landratsamt beobachten Fritz Haugg und Lenz Juffinger die Ergebnisse. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Stimmung in der Wahlnacht im Landkreis ist unterschiedlich: Die Sozialdemokraten bleiben geschockt zuhause, FDP und Grüne feiern ihre Ergebnisse, und die Linke freut sich mit Andreas Wagner über einen möglichen Einzug in den Bundestag. Geschockt sind alle vom Ergebnis der AfD.

Schwarzer Abend bei den Roten

Der Kreisverband der SPD hatte am Sonntag auf eine gemeinsame Wahlparty verzichtet.Wohl in weiser Voraussicht. Denn Grund zum Feiern hatten die Sozialdemokraten nicht. Kreisvorsitzender Wolfgang Werner hat das Ergebnis zu Hause mit seiner Familie verfolgt. "Als ich das Bayerische Fernsehen angemacht und gesehen habe: 20 Prozent für die SPD, da habe ich gedacht: eigentlich ein gutes Ergebnis für Bayern. Aber dann kam auch gleich die Ernüchterung, dass das die Hochrechnung für die Bundesrepublik war." Werner spricht von einem "schwarzen Abend" für die SPD - aus dem die Parteispitze "genau die richtigen Schlüsse gezogen" habe. Zwar sei es ein schwerer Schritt, in die Opposition zu gehen. Es sei aber auch eine historische Verantwortung der Sozialdemokraten. "Wir dürfen der AfD die Rolle des Oppositionsführers nicht überlassen." Im Landkreis ist das Ergebnis niederschmetternd: Mit gerade einmal elf Prozent bleibt die SPD hinter AfD und FDP nur auf den vierten Platz. Direktkandidat Hannes Gräbner sagt: "Das ist nicht das, was wir uns gewünscht haben." Auf mangelnden Einsatz will er das schlechte Abschneiden aber nicht schieben. "Wir haben einen guten Wahlkampf geführt und gute Rückmeldungen gehabt."

Hoffnung auf ein Mandat

Karl Bär von den Grünen hat bei seiner dritten Kandidatur für den Bundestag im Wahlkreis nach Alexander Radwan (CSU) die meisten Erststimmen geholt: fast 13 Prozent. Und mit mehr als zehn Prozent sieht es auch für seine Partei gut aus. Bär feiert das "hervorragende Ergebnis" mit etwa 30 Leuten in Miesbach, die Stimmung ist gut, denn womöglich könnte es auch für ihn für einen Einzug in den Bundestag reichen. Bär führt sein Ergebnis auf den sehr engagierten Wahlkampf der Grünen und ihre gute personelle Verankerung in der Region zurück. Ein großer Freund einer Jamaika-Koalition ist er nicht, auf Neuwahlen wollen es die Grünen aber auch nicht ankommen lassen. Man müsse sich halt "zammraufen", sagt er, schließlich trage man Verantwortung. Über den Erfolg der AfD "bin ich echt schockiert", sagt der Grüne, "das ist ein unmöglicher Haufen." Er könne nicht verstehen, dass so viele Leute die gewählt hätten, "obwohl die offen rassistisch sind".

Neues Selbstbewusstsein

Die FDP hat im Binderbräu allen Grund zu feiern. Bei der ersten Hochrechnung kurz nach 18 Uhr kommen die Liberalen, nach dem Debakel der vergangenen Bundestagswahlen im Jahr 2013, auf gut zehn Prozent und ziehen wieder in den Bundestag ein. Im Landkreis kommen sie auf 11,7 Prozent. 2013 waren es lediglich 5,5 Prozent. Damit bestätigten sich die Hoffnungen, die die Kreisvorsitzenden Klaus Andrae (Bad Tölz-Wolfratshausen) und Uschi Lex (Landkreis Miesbach) nach den Erfahrungen im Wahlkampf vorsichtig geschöpft hatten. "Noch vor eineinhalb Jahren hätte ich davon nicht zu träumen gewagt", sagt Andrae, sichtlich erleichtert zu den rund 20 versammelten FDP-Anhängern. Im selben Atemzug spricht der Kreisvorsitzende auch von einem Schock: Das Abschneiden der AfD trübt die Euphorie über den eigenen Erfolg. Als aus Berlin durchdringt, dass die SPD in die Opposition gehen werde, hört man am ein oder anderen Tisch das Wort "Neuwahlen". "Wir möchten nicht am ausgestreckten Arm von Frau Merkel verhungern", sagt Andrae. Der stellvertretende Kreisvorsitzende Torsten Mohr stellt die Frage: "Welcher gemeinsame Nenner bleibt bei einer Koalition von FDP mit Grünen und Union?" Und der Kreisvorsitzende sagt: "Wir dürfen uns nicht verbiegen, sonst verlieren wir massiv an Glaubwürdigkeit."

Ein Listenplatz für Berlin

Die Wahlparty der Linken beim Griechen im Wolfratshauser Ortsteil Farchet hätte eigentlich ein rauschendes Fest sein können. Doch Andreas Wagner, Direktkandidat für den Bundestag, der die Ergebnisse mit etwa 15 Parteifreunden und Anhängern verfolgt, hat gemischte Gefühle. "Insgesamt ist die Bundestagswahl vom Ergebnis natürlich eine Katastrophe", sagt der Geretsrieder in Bezug auf die AfD. "Die Freude über das gute Abschneiden der Linken in Bayern bleibt da ein bisschen auf der Strecke." Aber nicht ganz: Denn mit den 6,1 Prozent, die die Linke laut Hochrechnung um 20 Uhr in Bayern erzielt, zeichnet sich ab, dass Wagner, in der Landesliste seiner Partei auf Platz sechs gesetzt, in den Bundestag einzieht. Bisher hatten die bayerischen Linken dort vier Abgeordnete. Verhaltene Freude schwingt dann schon in seinen Worten mit. Als Abgeordneter in Berlin wolle er genau das tun, was die Fraktion der Linken bisher auch getan habe, sagt er: "Eine starke Stimme sein für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit."

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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