Passionskonzert:"Wenn ich mich ärgere, ändert sich der Klang"

Lesezeit: 3 min

In seinen Programmen setzt Christoph Heuberger (links) auf Kontraste, beim Ensembleklang auf ausgewogene Intensität. Das Foto entstand beim Passionskonzert des Jungen Kammerchors im Jahr 2016. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit 25 Jahren holt Christoph Heuberger nicht nur das Beste aus seinem Jungen Kammerchor heraus. Der Tölzer Kirchenmusiker hat in dieser Zeit auch einiges über sich gelernt. Am Sonntag leitet er ein ambitioniertes Jubiläumskonzert

Interview Von Stephanie Schwaderer

Am Palmsonntag leitet Christoph Heuberger traditionell ein Passionskonzert in der Tölzer Stadtpfarrkirche. Heuer ist es zugleich ein Jubiläumskonzert: Vor 25 Jahren hat der 59-jährige Organist, Dirigent, Pädagoge und Musiktherapeut den Jugendkammerchor der Pfarrei Maria Himmelfahrt gegründet. Das Ensemble hat seither einige Metamorphosen durchlaufen und präsentiert sich am Sonntag, 14. April, in neuer Frische.

SZ: Herr Heuberger, vor 25 Jahren haben Sie den Jungen Kammerchor gegründet. Haben Sie seither mal daran gedacht, ihn wieder aufzulösen?

Christoph Heuberger: Nicht wirklich. Auch wenn es immer wieder Momente gibt, in denen man sich fragt: Funktioniert dieses Konzept? Das größte Problem ist die Fluktuation: Junge Menschen verlassen die Stadt, Leistungsträger verschwinden, immer wieder gibt es Einbrüche, die einen zurückwerfen.

Der Chor trägt ja die verschiedensten Namen: Jugendkammerchor, Junger Kammerchor, Kammerchor. Wie jung ist er tatsächlich?

Vor 25 Jahren bestand er ausschließlich aus Jugendlichen. Aber man freut sich natürlich, wenn viele dabei bleiben. Irgendwann haben wir festgestellt, dass wir uns zum internationalen Chorwettbewerb in Arezzo nicht mehr als Jugendkammerchor anmelden konnten - viele waren schon Mitte Dreißig. Also nannten wir uns Junger Kammerchor. Mittlerweile sind ein paar unserer Mitglieder über 50,deshalb nennen wir uns nun Kammerchor.

Der Name ist also mit dem Ensemble zusammen gealtert?

Ja. Aber diesmal kehren wir zu den Wurzeln zurück. Wir haben das Passionskonzert als Projekt angelegt und werden von neun Mitgliedern des Jugendchors unterstützt, die alle zwischen 16 und 18 Jahre alt sind.

Neben dem Kammer- und dem Jugendchor leiten Sie auch noch einen Kinderund einen Kirchenchor sowie eine Choralschola. Nachwuchsmangel scheint für Sie kein Problem zu sein?

Der Nachwuchs ist immer ein Problem. Von selber geht nichts. Ich kämpfe darum, junge Leute zu halten. Aber es ist nicht leicht, vom Jugendchor, wo es viel um das Gemeinschaftserlebnis geht, eine Brücke zum Leistungsgedanken zu schlagen. Es wird sich zeigen, ob sie Lust haben weiterzumachen - intensiver zu proben, anspruchsvollere Stücke einzustudieren.

Wie gelingt es Ihnen, trotz der Fluktuation das hohe Niveau im Kammerchor zu halten?

Über die Jahre habe ich einen eigenen Stil entwickelt und arbeite viel in kleinen Gruppen. Mal am Vormittag, mal am Abend - ich kann mir meine Arbeitszeit relativ flexibel einteilen. So können wir individuelle Probleme angehen und zum Beispiel an Vokalfarben feilen.

Wie feilt man an Vokalfarben?

Ein großes Problem im Deutschen sind die unbetonten Nachsilben. Nehmen wir das Wort Leben. Das erste e hat einen ganz anderen Klang als das zweite. Beim Singen werden die Endungen oft in die Länge gezogen. Die Herausforderung besteht darin, die Farbe des gesprochenen Tons zu erfassen und ihn in der Länge zu halten.

Und das geht in kleinen Gruppen besser?

Jeder Sänger braucht die Korrektur von außen. Die innere Wahrnehmung ist ganz anders als die äußere. In keinem anderen musikalischen Fach ist ein Lehrer so dringend erforderlich.

Sie haben nicht nur Kirchenmusik und Musikpädagogik studiert, sondern auch eine Ausbildung zum Musiktherapeuten gemacht. Wie viel Psychologie steckt in Ihrer Arbeit als Chorleiter?

Psychologie ist ein wichtiger Aspekt, aber ich würde mir nie anmaßen zu sagen, ich leistete therapeutische Arbeit. Ich habe mich dafür entschieden, als Musiker vor dem Chor zu stehen, nicht als Therapeut. Allerdings habe ich in der Ausbildung viel über mich und meine Probleme gelernt. Die bekomme ich im Chor gespiegelt.

Was spiegelt sich da beispielsweise?

Wenn ich mich über etwas ärgere, wenn meine Gesichtszüge nicht entspannt sind, ändert sich sofort der Klang: Er wird verkrampfter. Auch wenn ich zu viel will, wenn ich denke: Das muss anders werden, so geht das gar nicht! Dann geht tatsächlich gar nichts weiter. Das Alter ist da hilfreich. Ich bin über die Jahre lockerer geworden und muss nicht alles ändern, sondern suche die Probleme erst einmal bei mir selbst.

Auch wenn Sie das Wort Therapie vorsichtig einsetzen: Wie viel davon steckt im Chorgesang?

Sehr viel! Wo sonst gibt es diese Verbindung zwischen Körper, Seele und Intellekt? Das ist der große Schatz der klassischen Musik, wie es ihn vielleicht noch in ähnlicher Form im Jazz gibt. Diese Balance zu spüren: Der Kopf muss dabei sein und die Emotion. Zudem ist Singen körperliche Arbeit. Nach einer Probe sollte man eher Muskelkater als Halsweh haben.

Was wird für Sie der Höhepunkt des Passionskonzert?

Das ist schwer zu sagen. Das Programm ist relativ riskant, weil es ganz verschiedene Stile vereint. Kantaten von Buxtehude erfordern eine andere Art zu singen als A-cappella-Werke des 19. und 20. Jahrhunderts. Wir haben das "Agnus Dei" von Samuel Barber im Programm, eine eigene Bearbeitung seines "Adagio for strings", und einen Psalm des fast vergessenen Komponisten Heinrich Kaminski, der auch in Benediktbeuern gelebt hat und von Schönberg geschätzt wurde. Das ist schon eine gewagte Mischung. Wenn Sie einen Elias aufführen, können Sie sich darauf verlassen, dass er funktioniert. Bei einem solchen Programm ist das anders.

Wann werden Sie wissen, ob es funktioniert?

Erst am Sonntag, beim Konzert. Es kommt auf die Interaktion mit dem Publikum an. Der Erfolg bemisst sich nicht am Applaus, sondern an der Stille und an der Konzentration, die wir aufbauen können.

Passionskonzert mit dem Jungen Kammerchor, einem hochkarätigen Instrumentalensemble und den Geigerinnen Katja Lämmermann und Elisabeth Heuberger, Sonntag, 14. April, 17 Uhr, Stadtpfarrkirche Bad Tölz, Eintritt frei, Spenden erbeten

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: