Ortsgestaltungssatzung:Langeweile aus dem Baukasten

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Lenggries gibt tatsächlich per Satzung vor, wie was auszusehen hat

Kommentar von Karin Kampwerth

Wer im Blumenkasten an seinem Balkon lieber Ranunkeln statt roter Geranien pflanzt, sollte sich bei der Suche nach einem geeigneten Baugrund oder dem Erwerb eines bereits fertigen Eigenheims in Acht nehmen. Lenggries etwa, dieser schmucke Touristenort im Tölzer Land, der sich selbst als "Bergparadies" bewirbt, könnte kein gutes Pflaster für die optische Selbstverwirklichung bei der Gestaltung seines Traumhauses sein. Die Gemeindeverwaltung gibt per Satzung vor, wie was auszusehen hat. Über Geschmack lässt sich somit gar nicht streiten.

Freilich ist nachvollziehbar, welchen Zweck der Urlaubsort damit verbindet. Denn die Gemeinde beherbergt nicht nur Gäste, sie verkauft gewissermaßen auch ihre Seele, indem sie ein ganz bestimmtes Feriengefühl vermittelt: die puppenstubenartige Idylle des Voralpenlands. Dass hier Bauherren nicht aus der Reihe tanzen sollen, indem sie dem urigen Landhausstil womöglich eine kühle Architektenvilla quasi in den Bauerngarten setzen, ist durchaus verständlich.

Wobei die Lenggrieser bei ihren Vorgaben nun doch ein wenig über das Ziel hinausschießen. 17 Paragrafen auf neun Seiten umfasst die Gestaltungssatzung, die selbst vor Form und Farbe von Türen und Fenstern nicht zurückschreckt. Diese dürfen nur rechteckig und aus Holz sein. Weiterhin sind Dachneigung und Farbe der Dachziegel vorgeschrieben, und auch vor der Gestaltung der Grünflächen macht der Gemeinderat nicht Halt.

Was die Kommunalpolitiker bei allem Erhaltungswillen aber übersehen, ist die Gefahr, dass zu viel Eintönigkeit für die Weiterentwicklung ihrer Gemeinde nicht unbedingt förderlich sein könnte. Ein bisschen Mut für Modernes schadet auch einem traditionell oberbayerisch geprägten Touristenort wohl kaum, lässt aber der jüngeren Bevölkerung statt eines langweiligen Baukastenprinzips ein wenig Spielraum bei der Frage, wie sie sich in ihrem Zuhause am wohlsten fühlen. Es muss ja nicht gleich mit einer Gabionenwand eingefriedet sein.

© SZ vom 12.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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