Öffentlicher Nahverkehr:Nächster Halt: MVV

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Das Tarifsystem, das im Norden für S-Bahn und Busse gilt, soll auch im Süden des Landkreises eingeführt werden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Landkreis will auch den Süden an den Tarifverbund anschließen. Sinnvoll wäre das Konzept allerdings nur, wenn die Nachbarn Miesbach und Weilheim-Schongau mit aufspringen würden. Doch Weilheims Landrätin Andrea Jochner-Weiß sagt: "Soweit sind wir noch nicht"

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Ökologisch gesehen leben die Deutschen weit über ihre Verhältnisse. Würde die gesamte Erdbevölkerung ebenso verschwenderisch mit Ressourcen umgehen, wären jene, die für dieses Jahr zur Verfügung stehen, an diesem Freitag verbraucht und die verkraftbaren Emissionen ausgestoßen. Demonstranten fordern weltweit eine Klimawende. Um diese zu erreichen, müssen auch auf unterer Ebene Maßnahmen ergriffen werden. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen setzt auf eine Verkehrswende. Zu den vielen Schritten, die hierzu notwendig sind, zählt die Verbesserung des Öffentlichen Personen- und des Schienennahverkehrs. Für das Busnetz ist der Kreis zuständig.

Um den Individualverkehr zu verringern und mehr Bürger zum Umsteigen auf Busse, S-Bahn und Züge zu bewegen, braucht es ein attraktives, zuverlässiges Angebot. Mit einem Ticket von Nord nach Süd und am besten in die Nachbarlandkreise - dieses Ziel verfolgt Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler). Bislang ist der Landkreis zweigeteilt: Im Süden ist überwiegend der Regionalverkehr Oberbayern (RVO) zuständig für den Personennahverkehr, im Norden gilt der Tarif des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV). Der Kreistag hat im Februar Ja gesagt zur MVV-Verbundraumerweiterung. Die Ausdehnung des MVV auf den gesamten Landkreis würde günstigere Tickets, ein einheitliches Tarifsystem und ein dichteres Fahrplanangebot bedeuten.

Für Matthias Schmid, im Tölzer Landratsamt zuständig für den ÖPNV, liegt der Vorteil einer Partnerschaft mit dem MVV auf der Hand. Dieser sei kein eigenes Verkehrsunternehmen, auch wenn dies eine landläufige Meinung sei, so Schmid. Vielmehr sei der MVV eine Art Management, das im Auftrag seiner Mitglieder Wünsche im Bereich des ÖPNV realisiert, sprich: die Tarife konzipiert, die Einnahmenaufteilung übernimmt wie auch die Ausschreibungen und Vergaben an Verkehrsunternehmer. "Beim MVV handelt es sich um eine gemeinwirtschaftliche Welt", so Schmid. Wenn der Landkreis sage, er wolle eine neue Buslinie von Wolfratshausen nach Penzberg mit einem bestimmten Fahrplanangebot, so kümmere sich der RVO um die europaweite Ausschreibung dieser öffentlichen Linie.

Wünsche kosten auch in diesem Bereich Geld. Zwar gehen die Einnahmen aus dem Busverkehr an den Landkreis, er muss aber auch den Betriebskostenzuschuss zahlen. Im ländlichen Raum seien Regionalbusse häufig Minusgeschäfte, sagt Schmid. Man dürfe einen weiteren Vorteil nicht außer Acht lassen: Wer zahle, schaffe an und bekomme einen sicheren Qualitätsstandard. Sicher ist, dass der Landkreis in Zukunft jährlich Millionen investieren muss, will er die Verkehrswende erreichen.

Der Landkreis ist allerdings nur für die Busse zuständig. Der Ausbau der Schienennetze obliegt dem Freistaat. Doch ist die Verbundraumerweiterung nur sinnvoll, wenn sowohl die Bayerische Oberlandbahn (BOB) als auch die Kochelseebahn in das Tarifsystem integriert werden. Die Verluste in diesem Bereich müsste der Freistaat tragen. Auch hier handelt es sich um Millionenbeträge. Ob die Staatsregierung auf Kurs bleibt und die Verkehrsverbünde stärkt, wird sich erst noch zeigen. Die Mittel, um die zu erwartenden Einnahmeverluste bei den Bahnen auszugleichen, muss der Landtag im Doppelhaushalt 2021/2022 einstellen.

Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen ist Pilotregion für die MVV-Verbundraumerweiterung. In zwei Jahren soll sie vollzogen sein, geht es nach dem Wunsch von Landrat Niedermaier. Im Herbst 2020 soll der aktualisierte Nahverkehrsplan für den Landkreis vorliegen. Darin sind die Qualitäts- und Zielvorgaben für den ÖPNV festgehalten. Danach müssen sich die Anbieter von Buslinien richten. Auftakt des Projekts ist am 3. Juni im Umweltausschuss des Kreistags. Im Oktober soll ein Workshop mit den Städten und Gemeinden, den Verkehrsunternehmen und anderen Experten folgen.

Ein Hindernis gibt es zu überwinden: Damit Fahrgäste mit einem Ticket für einen Preis auch über Landkreisgrenzen hinweg öffentliche Verkehrsmittel nutzen können, müssten Miesbach und Weilheim-Schongau sich ebenfalls für einen Beitritt zum MVV aussprechen. Der Miesbacher Kreistag hat im Dezember 2018 mit einer Absichtserklärung bekundet, den MVV-Beitritt vollziehen zu wollen. Die jährlichen Kosten belaufen sich schätzungsweise auf etwa 2,2 bis drei Millionen Euro. Der Beitritt ist frühestens 2021 möglich, wahrscheinlich erst im Jahr darauf. Der Nahverkehrsplan soll im Herbst 2019 fertig sein.

Anders sieht es in Weilheim-Schongau aus. Der Landkreis hat sich an den RVO gebunden, der die Buslinien eigenwirtschaftlich betreibt. Einen Anspruch hat der RVO indes nicht. "Wir müssen mit der Zeit gehen und den ÖPNV attraktiver gestalten", sagt die Weilheimer Landrätin Andrea Jochner-Weiß. Sie räumt Versäumnisse ein, spricht von "Dornröschenschlaf". Doch, so versichert sie, der Kreistag stehe hinter einer Verbesserung des Angebots. Ein Nahverkehrsplan soll noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden. Nur ob ein Vollbeitritt zum MVV die Lösung ist - "soweit sind wir noch nicht". Auch hier geht es um Geld. Bislang investiert der Kreis jährlich etwa 200 000 Euro in den ÖPNV. Diese Summe würde sich bei einem Beitritt deutlich erhöhen.

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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