Öffentlicher Nahverkehr:Alle Barrieren überwunden

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Zum Ein- und Aussteigen klappt Busfahrer Muhammad Asif eine Rampe aus. So kann die Geretsriederin Martina B. mit ihrem elektrischen Rollstuhl ohne weitere Hilfe hinein und wieder heraus fahren. (Foto: Vdk-Geretsried)

Rollstuhlfahrerin Martina B. hat einen überraschend erfolgreichen Ausflug mit Bus und Bahn nach München unternommen: "Ich hätte nie gedacht, dass das so glatt geht"

Von Benjamin Engel, Geretsried/München

Mit Bus und Bahn von einem Ort zum anderen zu kommen ist mitunter kompliziert - erst recht für Menschen mit Handicap. In Geretsried kann sich die 55-jährige Martina B. mit ihrem Rollstuhl relativ uneingeschränkt bewegen. In Zusammenarbeit mit dem Sozialverband VdK ist die Stadt bemüht, Barrieren auf Straßen und Plätzen zu beseitigen. Vor zwei Monaten wollte die Geretsriederin - sie ist wegen einer Erkrankung seit zweieinhalb Jahren auf den Rollstuhl angewiesen - ausprobieren, wie das bei längeren Unternehmungen ist. Ein VdK-Mitglied begleitete sie auf einer Testfahrt mit dem elektrischen Rollstuhl vom Geretsrieder Isar-Kaufhaus bis zur Münchner Hackerbrücke.

"Ich hätte nie gedacht, dass das so glatt geht", sagt Martina B. Denn Antworten auf Anrufe bei den öffentlichen Betrieben im Personennahverkehr, MVV und RVO, waren eher ernüchternd: "Wir nehmen keine Rollstühle mit" oder "das geht nur auf besonderen Linien".

Mit ihrem VdK-Begleiter wartete Martina B. nur kurz an der Haltestelle in Geretsried. Dann kam auch schon ein Bus mit einem blauen Rollstuhlsymbol neben dem rechten Scheinwerfer. Auf ihre Bitte klappte der Fahrer eine im Fahrzeugboden eingelassene Rampe beim mittleren Einstieg aus. Mit ihrem Rollstuhl konnte B. in den Fahrgastraum fahren. Ebenso einfach hätte sie am Wolfratshauser S-Bahnhof wieder aus dem Bus aussteigen können, sagt sie. Einziges Manko sei, dass nicht mehr als ein Rollstuhl in den Bus passe.

Dank abgesenkter Bordsteinkanten an den Businseln konnte Martina B. bequem auf den S-Bahnsteig fahren. Doch dann kam eine Hürde. Der Bahnsteig und die S-Bahnwaggons sind nicht auf demselben Höhenniveau. Deshalb bat die Rollstuhlfahrerin den Lokführer um Hilfe. Der Mann verließ seinen Führerstand. Aus einem Stauraum im ersten Abteil der S-Bahn holte er eine aufklappbare Rampe heraus. Mit deren Hilfe konnte die Geretsriederin in den Zug fahren. Zudem fragte der Lokführer noch, wo Martina B. aussteigen wolle, um zu wissen, wann sie wieder Hilfe brauche. Außerdem wies er der Frau auf einen Rufknopf hin, mit dem sie ihn informieren könnte, wann sie mit der Rampe aussteigen wolle.

Am Ziel an der Hackerbrücke waren Bahnsteig und S-Bahn-Waggon auf gleicher Höhe. Doch der Spalt zwischen beiden war so groß, dass der Rollstuhl daran stecken bleiben und umstürzen konnte. Mit Hilfe der Ausstiegsrampe konnte Martina B. auch dieses Hindernis überwinden. Zum Abschluss fuhr die Frau mit ihrem Begleiter per Lift hoch auf die Brücke. Ehe sie sich auf den Rückweg nach Wolfratshausen machten, gönnten sie sich in einem Café noch einen Cappuccino.

Dass ihr Begleiter nie eingreifen musste, freut Martina B. Die Mitarbeiter von RVO und S-Bahn seien sehr hilfsbereit gewesen. Die positiven Erfahrungen haben Martina B. bestärkt, zwei Wochen später erneut nach München zu fahren. "Das hat wieder so gut geklappt", sagt sie.

Froh ist die Geretsriederin, dass sie seit einem Jahr einen elektrisch betriebenen Rollstuhl hat. "Damit kann ich viel weiter unterwegs sein", sagt sie. Von ihrer Testfahrt zeigt sich Martina B. überrascht. "Nach München würde ich jederzeit wieder fahren, eher nicht zum Shoppen, aber für ein Konzert oder eine Verabredung."

© SZ vom 05.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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