Mountainbike:Nichts für Weicheier

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Andi und Toni Tillmann gelten sportlich als extrem und kompromisslos. Die Schäftlarner Brüder sind vom Klettern auf Downhill umgestiegen und haben nicht nur namhafte Sponsoren hinter sich, sondern auch ein eigenes Filmteam.

Sebastian Blum

Gute Voraussetzungen für Extremsportler haben Andi (links) und Toni Tillmann seit ihrer Kindheit. 80 Quadratmeter Kletterparcours findet man woanders selten im Elternhaus. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die gut 80 Quadratmeter große Kletterwand im Schäftlarner Elternhaus weckt auf den ersten Blick den Verdacht, dass Andi und Toni Tillmann ein bisschen anders gestrickt sind. Man könnte aber auch einen gut gehenden Sportverleih hier vermuten, wenn man die zwei Dutzend Fahrräder sieht, die im zum Hobbyraum umfunktionierten zugigen Keller zwischen Hanteln, Snowboards und Ski lagern.

Dass man es mit zwei Mountainbikern der Extraklasse zu tun hat, wird aber erst offensichtlich, wenn er den beiden Brüdern am Küchentisch gegenüber sitzt: Locker, ja lässig fläzt sich da der 26-jährige Toni in den Stuhl, vor sich eine Flasche Apfelsaftschorle, der rechte Arm liegt entspannt über der Lehne. Der zwei Jahre jüngere Andi hat es sich zu seiner Rechten gemütlich gemacht. Nein, Rückenprobleme gehören sicher nicht zu den Sorgen der Brüder. Beide, wie auch der Jüngste der Familie, Michi Tillmann, können erfolgreiche Karrieren als Sportkletterer vorweisen und haben dank der Unterstützung namhafter Mountainbike-Marken wie Scott auf ihren Rädern schon so manchen Dirt-Park in Europa und Kanada unsicher gemacht. Fast immer bei ihrem Trips dabei ist die eigene Filmcrew.

Mit den Familienurlauben hat alles angefangen. "Wir kommen aus einer absolut sportbegeisterten Familie", sagt Toni. "In unseren Ferien waren wir entweder beim Klettern in Arco am Gardasee oder gleich in irgendwelchen Hallen." Es half natürlich auch, dass die beiden eine Mutter wie Judith Tillmann haben, ehemals Drittplatzierte bei den Deutschen Meisterschaften im Sportklettern. Es schadete ihnen auch nicht, dass der Vater, ehemals Bergführer im Himalaja, bis vor einiger Zeit zusammen mit seiner Frau eine eigene Kletterhalle betrieben hat.

Andi Tillmann, fotografiert von seinem Bruder. (Foto: Toni Tillmann)

Die sportlichen Erfolge der Brüder ließen nicht lange auf sich warten. Bei Vereinsmeisterschaften belegten die beiden regelmäßig die vordersten Plätze, Andi wurde Münchner Jugendmeister im Sportklettern. Doch die intensiven Wettkampfvorbereitungen nahmen den Brüdern irgendwann die Lust an diesem Sport. "Für zwei Jahre hab ich ganz mit dem Klettern aufgehört", sagt Andi. Das Mountainbiken, das die beiden bis dahin als Ausgleichssport zum Klettern betrieben, wurde immer wichtiger und die Fahrräder im Keller immer mehr.

"Wenn du gut werden willst, darfst du keine Kompromisse eingehen", sagt Toni. "Ebenso wenig beim Equipment." Denn für die Lieblingsdisziplin der Brüder, das Downhill, eine Variante des Mountainbiken, bei dem die Fahrer ähnlich dem Alpinski einen abschüssigen Kurs in möglichst kurzer Zeit bewältigen, braucht es spezielle und teure Räder. Doch die Tillmanns wurden unterstützt. Das Wolfratshauser Radgeschäft Oswald stand von Anfang an als Sponsor zur Seite. "Die Jungs sind irgendwann immer extremer geworden", sagt Geschäftsinhaber Helmut Oswald über die Brüder. Und dann waren die großen Sponsoren zur Stelle, bekannte Mountainbike-Marken wie Scott und Acros.

Seit zwei Jahren haben die Brüder ihre eigene Filmcrew. Mit ihren Fahrrädern bereisen Toni und Andi als "team in focus" mit ihrem Bruder Michi und zwei Freunden die Welt. Einer ist hauptberuflich Kameramann, Michi ist für das Design verantwortlich. Und der dritte der Crew hat Eventmanagement studiert und kümmert sich um die Pressearbeit der Gruppe.

Das Größte für Andi ist der jährliche Ausflug ins kanadische Whistler, das als Mekka der Bikerszene gilt: "Da hast du Möglichkeiten, die es in Europa einfach nicht gibt", schwärmt er. Wer das nicht glaubt, kann sich davon in den Videos der Gruppe auf ihrer Homepage www.infocusmtb.com überzeugen: Da brettern die Jungs mit einem Affenzahn durch die kanadische Landschaft - dagegen nimmt sich der eigene Dirt-Park des Bruderpaars in Schäftlarn unspektakulär aus. "Wir sind verrückt", gibt Toni zu. "Aber im positiven Sinn. Unser Sport ist ja nichts für Weicheier."

Vom Klischee des hirnlosen, adrenalinsüchtigen Extremsportlers scheinen die beiden weit entfernt zu sein. Und wenn es einmal doch zu viel wird? "Dafür haben wir ja zum Glück unsere Freundinnen", sagt Toni lachend, nimmt einen Schluck Apfelsaftschorle und setzt sich zum ersten Mal gerade hin.

© SZ vom 27.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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