Mitten in Wolfratshausen:Wundern über den Winter-Sale

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Eine Gnadenfrist für Käufer gibt es nicht - denn kaum ist Weihnachten vorbei, prasseln schon wieder neue Werbebroschüren in die Briefkästen

Kolumne von Wolfgang Schäl

Die Zeitung soll ja nicht nur das Neue, sondern ebenso das stetig Wiederkehrende im Jahresablauf abbilden. Aus dem letzteren Anspruch heraus regen wir uns an dieser Stelle mit mit schöner Regelmäßigkeit über dieselben Sachen auf, weil wir der völligen Überzeugung sind, dass unseren Lesern andernfalls was Gewohntes fehlt. Gern angenommen werden nach unserer langjährigen Erfahrung konsumkritische Texte als Nachtrag zum Weihnachtsfest, sie zielen auf ein latent schlechtes Gewissen, weil wir es mit dem Schenken womöglich übertrieben und darüber das eigentliche Weihnachtsfest fast vergessen haben.

Eine Gnadenfrist für uns Käufer gibt es trotzdem nicht. Kaum, dass wir uns mühsam aus den Geschenkhalden herausgestrampelt haben, prasseln schon die neuesten Werbebroschüren in die Briefkästen, diesmal mit wenig originellen Anspielungen auf den Jahreswechsel, das Stichwort lautet: Preisfeuerwerk. Alles, was immer noch da ist, muss jetzt auf einmal raus, möglichst noch zwischen den Jahren, all die Ladenhüter, die keinen Platz unterm Christbaum gefunden haben, weil sie überflüssig, zu teuer oder, wie komplette Einbauküchen, zu sperrig waren.

Müssen wir denn wirklich schon wieder was kaufen? Wir blättern mit spitzen Fingern die ersten Prospekte nach dem Fest durch und stellen fest, dass die nachadventliche Rabattschlacht von einem Möbelhaus eröffnet wird, das wir aus Gemeinheit jetzt extra nicht namentlich nennen, das aber 70 Prozent gibt auf eine wirklich geräumige Bratpfanne. Muss man da nicht zugreifen, auch wenn sich daheim die Bratpfannen bis zur Decke stapeln? Wir legen das wohlgemeinte Angebot beiseite, kuscheln uns an die Broschüre eines Bettenhauses, das mit einem "Winterwunder Sale" wirbt und überlegen, ob wir jemals im Leben wieder ein Spannbettlaken für 50 Euro bekommen werden. Wenn nicht jetzt, wann dann? Nun blicken wir, schon lustloser, ins Sparwochen-Heftchen eines großen Eisenwarenhändlers.

Aber ein Geschirr mit bordeauxroten Hirschen brauchen wir zufällig grade nicht. Schließlich kapitulieren wir erschöpft vor dem 58-seitigen Schlussverkauf-Werbeprospekt eines Münchner Kaufhauses. Aber keine Angst: Schon bald werden wir uns wieder erholt haben: Und dann leeren wir mit frischer Kraft den verstopften Briefkasten aus.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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