Mitten in Wolfratshausen:Visionen im Wandel der Zeit

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Wer will schon Altlasten ins neue Jahr mitschleppen? Eben. Drum wird ausgemistet - und dabei über Vergänglichkeiten sinniert...

Von WOLFGANG SCHÄL

Dachböden und Festplatten haben eines gemeinsam: Sie müssen immer wieder mal entrümpelt werden, sonst geht die Übersicht verloren. Einen entsprechenden Anfall von jahresendlicher Ordnungswut hat man soeben überstanden, man mag schließlich keine Altlasten ins neue Jahr mitschleppen. So ist man denn wild entschlossen mit der Löschtaste durch die Verzeichnisse gefegt und hat gnadenlos ausgemistet. Da fand sich allerlei Verstaubtes und Kurioses, Dinge, die mal wichtig waren, aber irgendwann der Vergessenheit anheimgefallen sind.

Zum Beispiel ging es mal um Stadtplanung mit Bürgerbeteiligung, ein Thema, das aktuell grade wieder ganz groß im Kommen ist. Anhand genauer Skizzen und Grafiken wurde festgehalten, wo was demnächst und nun wirklich bald in Wolfratshausen besser werden sollte. Das war im Jahr 2014, es ging um das westliche Loisachufer, das seit vier Jahrzehnten im Gespräch ist. "Gestalten Sie mit, Ihre Meinung ist uns wichtig", heißt es da, und an Ideen spontaner, engagierter Bürger hat es damals schon nicht gefehlt. Es handelte sich um einen Entwurf des Arbeitskreises Stadtlandschaften, den der Verein Lebendige Altstadt Wolfratshausen initiiert hatte. Prima rote Pfeile waren da auf einem Stadtplan eingezeichnet, eine Meinungsübersicht der Bürger gab es, mit Tortengrafik zu allen Anregungen, die einem irgendwie bekannt vorkommen: Ein städtebauliches Gesamtkonzept wurde damals schon gefordert, eine Skulpturenmeile, ein Archiv mit Schaukästen zur Stadtgeschichte, ein überdachter Steg im Fluss und gar "ein Platz für Bars, um das Nachtleben zu verbessern". Schau an, diese Wolfratshauser! Aber auch mehr Parkplätze wurden verlangt, weil dies die Lebendigkeit der Altstadt fördere.

Von alledem ist nicht mehr die Rede, zum Glück auch nicht von einem durch zusätzlichen Parksuchverkehr belebten Zentrum. Sollten wir diese kostbaren Illusionen als Datei weiterhin aufbewahren? Und wird man vielleicht im Jahr 2022 beim Putzen der Festplatte wieder auf die im Jahr 2018 ventilierten guten Vorsätze und Ideen stoßen, die dann vielleicht auch längst wieder Makulatur sind? Man soll ja positiv denken, und deshalb sei festgestellt, dass Tagträume doch meist schöner sind als die Realität. Und dass der Faktor Zeit für die jahrhundertealte Flößerstadt noch nie eine wichtige Rolle gespielt hat.

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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