Mitten in Wolfratshausen:Vielsagender Versprecher

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Ihr Zerwürfnis ließen Heilinglechner und Forster bei einer Ehrung unerwähnt, aber kurz meldet sich doch das Unterbewusstsein zu Wort...

Von Konstantin Kaip

Die letzte Stadtratssitzung des Jahres fällt in Wolfratshausen gewöhnlich heiterer aus als sonst, zumindest im Nachklang. Doch die Tradition des gemeinsamen Weihnachtsessens, bei dem alle Stadträte, Verwaltungsmitarbeiter und Presseleute zusammensitzen, musste dieses Jahr pandemiebedingt entfallen. Es sind eben ernste Zeiten, in denen Kontakte vermieden werden müssen und Sitzungen möglichst knapp zu halten sind. Dennoch gab es am Dienstagabend einen kurzen, sehr heiteren Moment, einen comic relief, wie Literaturwissenschaftler so etwas in Shakespeare-Dramen nennen. Bürgermeister Klaus Heilinglechner hat alle Stadträte in der Loisachhalle einen kurzen Augenblick lang zum Schmunzeln gebracht, wenn auch unfreiwillig: mit einem Lapsus, der zwar klein, aber als Freud'scher Versprecher recht vielsagend war.

Zu den Pflichten eines Bürgermeisters gehört es auch, langjährige Gremiumsmitglieder für ihre Verdienste zu ehren - egal, zu welcher Partei oder Gruppierung sie gehören und welche Vorgeschichte man mit ihnen teilt. Im Wolfratshauser Stadtrat waren am Dienstag gleich vier Kommunalpolitiker an der Reihe: Günther Eibl (CSU), Josef Praller (Bürgervereinigung) und Manfred Fleischer (vormals CSU, jetzt Wolfratshauser Liste) sind alle seit 2002 im Stadtrat und haben damit die Volljährigkeit ihrer Amtszeit erreicht. Helmut Forster, der 1999 als Nachrücker für die Bürgervereinigung kam, ist sogar schon seit 21 Jahren dabei, seit diesem Frühling für die Wolfratshauser Liste. Zum Dank überreichte ihnen Heilinglechner je einen Wandteller mit ihrem Namen, der bisherigen Amtszeit und einer Ansicht der Altstadt sowie einen kleinen Gutschein. Forster, der Dienstälteste, war als erster dran.

Bekanntlich ist der amtierende Wirtschaftsreferent nicht nur Heilinglechners Amtsvorgänger, sondern auch sein politischen Ziehvater, der ihn 2014 als Kandidaten protegiert und ihm so zum Bürgermeisteramt verholfen hat. Im vergangenen Jahr aber kam es zum Zerwürfnis der beiden: Forster trat aus der Bürgervereinigung aus und gründete die Wolfratshauser Liste. Heilinglechner ließ das alles freilich unerwähnt, als er am Dienstagabend die Vita seines Amtsvorgängers und dessen Verdienste aufzählte. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein aber muss er daran gedacht haben. Denn als er Forster zu sich nach vorne bitten wollte, um den Teller zu überreichen, sagte er: "Ich darf Sie raustreten."

Natürlich darf Heilinglechner das nicht, so viel Befugnis hat zum Glück kein Bürgermeister. Und sicher will er das auch gar nicht, jedenfalls nicht wirklich. Forster wird dem Stadtrat erhalten bleiben, das ist sicher auch im Sinne seines Nachfolgers. Das Verhältnis der beiden bleibt zwar abgekühlt, aber kollegial. Das sah man auch an dem Lächeln, das beiden angesichts des Versprechers kurz über die Lippen huschte. Heilinglechner korrigierte sich dann schnell: "Ich darf Sie bitten rauszutreten.

© SZ vom 17.12.2020 / " - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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