Mitten in Wolfratshausen:Konferenz mit Poltergeist

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Die Sache fing mit einem leisen Zischen in den unteren Etagen an, während alle Kollegen oben konferierten. Dann ein Klopfen und Quietschen. Plötzlich taucht ein Fremder auf

Von Claudia Koestler

Die meisten setzen ja eher klassisch auf Tee oder Kaffee, um nach einem entspannten Wochenende wieder wach, agil und voll da zu sein. Doch wie profan und unspannend ist doch Koffein gegenüber all jenen Dingen, die man hört, aber nicht sieht, und die einem deshalb das wesentlich wirkungsvollere Adrenalin durch die Adern schießen lassen.

Dabei fing die Sache noch unverfänglich an: Ein leises Zischen, ein leises Schleifen, irgendwo in den unteren Etagen, während alle Kollegen oben konferierten. So weit, so unverfänglich, schließlich kann es vorkommen, dass noch irgendetwas gewischt oder geputzt werden muss. Was hingegen die Ohren spitzen ließ, war das leise Wimmern und Quietschen dazwischen. Alle Hunde- und sonstigen Haustierbesitzer verneinten jedoch die Frage, ob sie den vierbeinigen Freund mitgebracht und eingesperrt hatten.

Kurz, nachdem das Quietschen abgeklungen war, vernahm die Runde einen schweren Schritt auf der untersten Treppenstufe. Pause. Ein zweiter folgte. Da war es wieder vorbei mit der Terminplanung, denn die Treppe zog alle Blicke und alle Aufmerksamkeit auf sich. Doch es kam niemand. Stattdessen war es wieder da, das Zischen und Klopfen und Schleifen. Diesmal nicht unten, sondern scheinbar auf derselben Ebene: "Quiieek tschak, quiiek tschak". Das Kopfkino hatte Hauptvorstellung, das Adrenalin pumpte sich durch die Adern: Klang das nicht genauso, wenn sich in Gruselschockern der Poltergeist im Clownskostüm die Treppe hinauf zog? Allerdings klopfte er in Wolfratshausen nicht mit einem Enterhaken an, sondern bediente sich modernerer Methoden: Kaum war er den Schleifgeräuschen zufolge oben angekommen, klingelte das Telefon. Nicht allerdings dort, wo man auch abheben hätte können: Das Klingeln war irgendwo im Äther zu vernehmen.

Kurz darauf betrat ein unbekannter Mann den Raum und fragte nach dem Feuerlöscher. Die Frage der konsternierten Kollegen ("brennt's?") ließ er mit einem Lachen im Raum stehen und zog mit dem Teil von Dannen. Seither tippen die Kollegen nur noch mit einer Hand, was aber dank des Adrenalins kein Problem ist. Mit der anderen prüfen sie regelmäßig, ob der Boden schon verdächtig heißer geworden ist unter ihren Füßen . . .

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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