Mitten in Wolfratshausen:Klopfen auf Holz

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Der Frühling ist laut, doch an der Loisach ist Ruhe. Bis zu diesem Geräusch

Von Barbara Brießmann

Es klappert, hämmert und dröhnt allerorten. Die Tastatur im Büro scheppert, lauter als sonst, wie es scheint. Auf der Straße fragt sich der von Frühjahrsmüdigkeit gezeichnete Mensch, woher plötzlich die ganzen Baustellen kommen. Sie sprießen sozusagen wie die Tulpen aus dem Boden - von einem Tag auf den anderen. Völlig überraschend. War das immer schon so?

Wer sich ruhesuchend in den Biergarten flüchtet, hat den nächsten Lärm im Ohr. Offensichtlich können manche Menschen der wärmenden Sonne nur lautstark beikommen. Sie reden, besser gesagt, schreien sich die Köpfe heiß wegen Gas, Strom und Kohle. Nein, sie wollen kein Öl ins Feuer der Energiediskussion kippen, sie können sich nur nicht entscheiden, in welcher Ausführung der neue Grill angeschafft werden soll.

Halb taub sucht der Mensch in seiner Mittagspause nach ein paar Minuten Entspannung, setzt sich an die Loisach und atmet durch. Da klopft doch wer. Das schnelle Hämmern ist nicht zu überhören. Es dringt vom Sebastianisteg ans Ohr. Allerdings ist keine Menschenseele zu sehen. Hinter dem Steg verbirgt sich auch kein Handwerker. Ja, spielen die Ohren denn schon verrückt vor lauter Frühling?

Nein. Ein Specht lässt seinen Hormonen freien Lauf und klopft, was geht. Wie die wissenschaftliche Literatur lehrt, tut er das an Bäumen, um Futter zu finden, um eine Nisthöhle zu bauen, sein Revier abzustecken oder eine mögliche Sexualpartnerin auf sich aufmerksam zu machen. Dass der Sebastianisteg kein Baum ist, stört den Specht nicht. Er trommelt und trommelt. Aber es besteht Hoffnung: Jetzt sind sie zu zweit am Werk. Hoffentlich schnäbeln sie bald, damit Ruhe einkehrt.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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