Mitten in Wolfratshausen:Gemütliche Missionarsstellung

Hauptsache locker!

Von Barbara Briessmann

Wie versteinert stehen sie meist da, wie Wachtürme. Das heißt: Sie standen wie versteinert da, dass man ihnen zurufen wollte: "Erwachet!" Doch die Zeiten jener Zeugen Jehovas sind vorbei. Vermutlich wurde ein Berater bestellt, der das staubige Image der Sekte aufpolieren sollte.

Nur rumstehen und Heftchen mit vermeintlich heilsbringenden Botschaften hochhalten - das ist out, hat der PR-Profi wohl gesagt. Das komme sowas von weltfremd rüber, oder "erdenfremd", würden die Anhänger Jehovas sagen. Und das mache eben einen lebensfremden Eindruck.

Dann wurde wohl geübt, wie sich der Zeuge Jehova in der Öffentlichkeit zu präsentieren hat, so, als stehe er mitten im Leben. Natürlich ordentlich, bei den Damen hochgeschlossen gekleidet, aber ansonsten locker. Lächeln ist durchaus erwünscht, Ansprechen vermeintlich bekehrenswerter Mitmenschen auch. Botschaften sind dabei nicht so wichtig, Hauptsache freundlich, cool, easy eben.

Glauben Sie nicht? Probieren Sie's aus. Zum Beispiel an der Loisach in Wolfratshausen. Dort stehen zwei Damen der Sekte nicht einfach nur herum, sie sitzen gern gemütlich auf einer Bank, haben ein Wägelchen für ihre Prospekte dabei, darauf ein Plakat: "Bleibe gegenüber Jehova loyal." Darüber sprechen sie aber nicht. Sie grüßen, lachen und wünschen einen schönen Tag. Einfach so.

Sie sind erwacht.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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