Mitten in Wolfratshausen:Fauna mit Verzug

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Auf dem Heimweg vom wirklich ersten, ernst zu nehmenden sonnigen Biergartenbesuch am Wolfratshauser Untermarkt ist im Straßengraben ein besonderes Tier aufgefallen...

Glosse von Wolfgang Schäl

Alles hat bekanntlich seine Zeit, und deshalb reklamieren wir an dieser Stelle, dass auch der verflossene Mai gefälligst ein Wonnemonat zu sein gehabt hätte, die Erwartungen waren gerade nach all der Pandemie doch allesamt auf ein ersehntes Idyll ausgerichtet: laue Lüftchen, blühende Wiesen, Maibock, Musik, Grill, Frohsinn, das alles. Corona war bekanntlich dagegen, das reale Wetter auch. So etwas widerlich stürmisch Nasskaltes! Also wirklich, dieser Mai sollte sich für seinen kalendarischen Anspruch schämen, ernsthaft ein solcher gewesen zu sein. Selber fragt man sich natürlich: Wie ist es überhaupt nachweisbar, dass diese letzten nasskalten Ekelwochen, die die Meteorologen untertreibenderweise als "zu feucht" abgetan haben, wirklich schon der Einstieg ins Frühjahr 2021 waren? Ein wichtiges Indiz dafür hat sich zum Glück jetzt tatsächlich gefunden: Auf dem Heimweg vom wirklich ersten, ernst zu nehmenden sonnigen Biergartenbesuch am Wolfratshauser Untermarkt ist uns im Straßengraben ein besonderes Tier aufgefallen. Ja, liebe Leute, auf Ehre und Gewissen: Es war ein Maikäfer, ein Maikäfer im Juni. Phänotypisch gab es da keinen Zweifel. Seitlich das leuchtend weiße Zackendesign, vorn die markanten Kopfbürsten, dazu die dunkelbraunen Deckel über den Flügeln. Leider war er schon tot, vielleicht noch nicht sehr lange, immerhin gut erhalten, stabile Seitenlage, aber keiner, dessen tiefer Brummton noch an jene alten Zeiten hätte erinnern können, da man die geliebten Summsemänner in durchlöcherten Schuhkartons eingesammelt und mit Kastanienblättern gemästet hat. Nun aber vernehmen wir mit Staunen, dass dieses nun leider nicht mehr sehr vitale Flugobjekt, das zu Lebzeiten wohl irgendwo vom Wolfratshauser Bergwald heruntergetaumelt ist und sein kleines Leben am engen Untermarkt, zwischen all den brüllenden Motorrädern und haushohen Monstertreckern beendet hat, gar kein Einzelgänger war. Denn so, wie es beispielsweise die Feld-, Wald,- Hasel- und Gartenmaus zu unterscheiden gilt, so gibt es unserer kleinen zoologischen, sensationellen Recherche zufolge einen Feld- und einen Waldmaikäfer, zumindest im Oberrheingebiet nördlich von Mannheim. Aber das ist wissenschaftlich betrachtet ja keine relevante Entfernung. Gemeinsam ist jedenfalls den Mäuse- und Maikäferarten der gesunde Appetit, der wiederum den Landwirt erzürnt. Ob diesbezüglich auch bei uns akuter Handlungsbedarf besteht? Wir werden das an dieser Stelle genauestens verfolgen.

© SZ vom 05.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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