Mitten in Wolfratshausen:Ein Rätsel für Floßophile

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Das hölzerne Wasserfahrzeug an der Bundesstraße hat etwas Mysteriöses. Doch genau das kann die Tradition nicht brauchen

Von Wolfgang Schäl

Schon klar, wir sind in Wolfratshausen eine internationale Flößerstadt, das ist ja auch der Grund dafür, dass es so viele Menschen zu uns zieht. Sie alle wollen träumen davon, wie einst raubeinige Männer im Kampf gegen den wilden Fluss Leib und Leben riskiert haben. So gefährlich ist diese Form der Schifffahrt heute zum Glück nicht mehr, tendenziell ist der Wasserstand ja eher zu niedrig, als dass so ein tonnenschweres Gefährt aus Baumstämmen noch vom Fleck käme, zumal mit Blaskapelle und Bierfass. Umso mehr beschäftigt uns die Frage, wie so ein Floß plötzlich an den Autobahnzubringer kommt. Haben wir womöglich ein gewaltiges Hochwasser verschlafen, das dieses heimatkundliche Vorzeigeobjekt an die Auffahrt zur B 11a geschwemmt hat? Ist es durch ein in Jahrtausenden unbemerktes Absinken des legendären Wolfratshauser Sees hierher gelangt? Ist es vom Bergwald heruntergerutscht ,oder hat es gar ein Burschenverein herbeigeschleppt, der mit dem Maibaumaufstellen nicht ausgelastet war? Als ernsthafte Flößerstädter müssen wir dieser Frage unbedingt nachgehen, denn in den Ruch des Mysteriösen, ja der Zauberei darf diese wertvolle Tradition auf keinen Fall geraten. Und erst recht nicht darf der Hauch eines Verdachts aufkommen, hier sei etwas rechtlich Fragwürdiges geschehen, etwa der Tatbestand des Falschparkens von Wasserfahrzeugen an einer Bundesstraße. An dieser Stelle beschränken wir uns erst einmal auf eine vage Vermutung, und die geht in Richtung Rathaus. Ist das womöglich ein nicht öffentlich beschlossener PR-Coup des floßophilen Stadtrats? Man vermag sich das freilich kaum vorzustellen, denn das hölzerne Objekt der Brauchtumspflege liegt so schlaff und zusammengesackt auf der Wiese wie ein Schlauchboot in der Nachsaison.

Mal ehrlich: Das müsste doch, himmelwärts gerichtet, weithin sichtbar, auf einer zwanzig Meter hohen Säule ruhen. Außerdem steht es auf der falschen Seite. Es soll doch den Reisenden beeindrucken, der nach Wolfratshausen kommt, nicht den, der schon wieder heimfährt. Das alles muss noch aufgearbeitet werden. Bis dahin bewundern wir in unserer Flößereiseligkeit den Ruderknecht an der Schwanenwiese, der in seiner schweißtreibenden, gefahrvollen Arbeit für alle Zeit kunstvoll in Bronze erstarrt ist.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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