Mitten in Wolfratshausen:Die Liebe zum Radi und zu sich selbst

Am Wolfratshauser Berg zeigen sich die Wechselfälle des Lebens

Von Claudia Koestler

Woher er ursprünglich kommt und wo er inzwischen überall Usus ist, dürfte schwer zu verifizieren sein. Klar ist aber: Der Brauch, dass Verliebte sogenannte Liebesschlösser an Brücken anbringen, ist weit verbreitet. In Köln etwa hängen sie zu Tausenden an der Hohenzollernbrücke, von wo aus die Pärchen den Schlüssel auf Nimmerwiedersehen im Rhein versenken. Eine Variation gibt es inzwischen am Balkon von Romeo und Julia in Verona: Hier schreiben Paare Liebesschwüre auf Heftpflaster und kleben sie an die Wand.

Da ist der Wolfratshauser natürlich weiter. Vor allem haben die Verliebten hier erkannt: Nicht immer hält alles für die Ewigkeit. Bevor also jemand per Bolzenschneider das Ende der Beziehung besiegeln muss, setzt der Loisachstädter auf die Kraft der Farbe. Auf Betonwand.

So lässt sich an der Kehre des Wolfratshauser Berges derzeit die Evolution einer Liebe nachvollziehen: Vor einem Jahr zierte die Wand plötzlich die Botschaft: "Steffi, ich liebe Dich". Keine sechs Monate darauf war Steffi allerdings passé, der Name durchgestrichen und später durch "Adi" ersetzt. Doch offenbar hielt auch das Glück nicht lange, denn aus Adi wurde "Radi". Die bayerische Brotzeitgemüse als Kummertröster? Inzwischen aber scheint die Enttäuschung einer Erkenntnis gewichen zu sein: Erstmal an sich denken. Denn seit Kurzem leuchtet in rosa an der Wand: "Love yourself", liebe dich selbst. Ein Tipp an den Urheber für die weiteren Erlebnisse in Sachen Liebe: Wasserlöslichen Textmarker nehmen. Der verblasst von alleine.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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