Mitten in Wolfratshausen:Aua, Herr Doktor!

Lesezeit: 1 min

Was man alles erfährt, wenn man es gar nicht wissen will...

Von Claudia Koestler

Vielleicht täuscht ja der Eindruck, und "Pokémon Go", diese virtuelle Monsterjagd mittels Smartphone in der realen Welt, ist immer noch der ganz große Hype. Wirklich wahrgenommen haben die Kollegen seinen Bann jedenfalls zuletzt vor einigen Wochen. Da war ausgerechnet ein Kellner eines örtlichen Wirtshauses zutiefst in sein smartes Mobiltelefon versunken. Gelegentlich hüpfte er damit hinter dem Tresen hervor, vollführte pirouettenhafte Drehbewegungen und warf dann das Handgelenk samt Handy nach vorne, als wollte er im Trockenen Fliegenfischen. "Hab's", sagte er, grinste vergnügt und ließ die längst wild winkenden Gäste ansonsten weiter außer Acht. Immerhin, lieber virtuelle Monster im Gastraum als reale Schnecken im Salat, dachten sich die Kollegen.

Für alle, die inzwischen von Wolfratshauser Kellnern wieder beachtet werden: nicht verzagen. In der Öffentlichkeit gibt es schließlich noch ein weitaus monströseres Vergnügen, und das schon seit sehr langer Zeit - das Lauschen. Ehrlich zugeben werden das zwar nur die wenigsten. Aber so ganz direkt an den Widrigkeiten des Lebens der anderen teilnehmen zu dürfen, das kann schon Unterhaltungswert haben. Auch hier bot Wolfratshausens Gastroszene jüngst ein Beispiel: Eine etwa 60-jährige Frau saß mit einer Freundin beim Kaffee am Nachbartisch. Zu ihnen setzte sich ein vielleicht 40-jähriger Mann. Mann? Eher ein Schrank, groß, kräftig, voller Muskeln und die Arme übersät mit Tätowierungen: Totenköpfe, Drachen und ähnliches. Alles in allem eine recht Furcht einflößende Gestalt, der man besser nicht auf den Fuß treten sollte. Aber offenbar auch Sohn der älteren Dame, der sie abholen kam und letztlich schamesrot im Gesicht vorbei an kichernden Cafébesuchern davon ziehen musste. Denn erst blickte die Mutter ihn an, dann drehte sie sich zur Freundin und kommentierte sein hartes Äußeres unnachahmlich trocken: "Schau ihn Dir an. Und dabei hat er als Kind immer wie ein Ochs am Spieß geschrien, wenn der Onkel Doktor ein Piekserchen machen musste."

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: