Mitten in Lenggries:Bitte recht freundlich!

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Die bayerische Oberlandbahn sucht Models, die für sie werben. Sie sollen schöne Fotos schicken, keine Nacktbilder. Für eine realistische Kampagne würden wohl Passbilder aus dem Automaten genügen

Von Klaus Schieder

Wer so aussieht wie auf dem Foto seines Personalausweises, sollte bekanntlich flugs in Urlaub gehen. Das gilt natürlich bloß für Aufnahmen, die in einer dieser Kabinen mit halbem Vorhang in irgendeiner U-Bahn-Station oder am Bahnhof entstanden sind. Darin sitzt man immer falsch: Nach vorne gelehnt wird die Nase zinkenhaft groß, in aufrechter Haltung wechselt die Mimik ins Hochnäsige. Besser also, gleich zum Profi-Fotografen zu gehen. Aber auch das ist nicht unproblematisch. Setzen Sie sich bitte aufrecht, die linke Schulter nach hinten, noch weiter, weiter ... danke, die rechte Schulter mehr nach oben, OBEN, hier, so, und jetzt den Kopf nach links, etwas nach unten, noch mehr - okay, nun sehen Sie bitte nach rechts in die Kamera! Heraus kommt dabei ein Bild mit einem leicht verzerrten Lächeln, dem der Schmerz ob der verrenkten Körperhaltung anzusehen ist. Ein Glück war deshalb die Einführung des biometrischen Fotos: stur nach vorne starren, bloß nicht lächeln, klick, fertig ist das Gangsterfoto.

Bitte bekleidet, ohne Sonnenbrille oder Hut: So können sich Erwachsene zwischen Mitte 20 und Mitte 30 oder mit Mitte 50 samt Kindern als Models für die Bayerische Oberlandbahn (BOB) bis zum 19. Juni bewerben. Verboten sind damit Schnappschüsse vom FKK-Strand oder vom Morgen nach der letzten Alllohol-Party. Das versteht sich von selbst, denn die Bewerber sollen sich für diverse Fahrgastszenen abbilden lassen, die künftig in den Zügen der BOB oder im Meridian reklamehalber hängen werden. Da sind seriöse, fröhliche, urgesunde Gesichter gefragt, die allen signalisieren, dass eine Fahrt mit der BOB so paradiesisch ist wie ein Lauf über den weißen Traumstrand einer Pazifikinsel hinein ins blaue Meer.

Dafür wurde eigens ein Fotograf engagiert, der in London für prominente Modezeitschriften arbeitet und zum ersten von zwei Shootings nach Lenggries kommt. Ein solch hochkarätiger Profi ist auch nötig fürs Klischee. Wären die Fahrgastszenen realistisch anstatt nur der Werbung zu dienen, bräuchte es ihn gar nicht. Biometrische Fotos würden völlig genügen, um den normalen Gesichtsausdruck eines Pendlers zu zeigen, wenn die BOB mal wieder Verspätung hat. Oder wenn er bei 35 Grad Innentemperatur im Stehen zwischen anderen Passagieren auf den krümelübersäten Waggonboden starrt und sich auf eine Pazifikinsel träumt.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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