Mitten in Lenggries:Alpamare am Berg

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Steigen die Temperaturen, wird künstlicher Schnee zu Wasser. Dann müssen die Pistenbetreiber umdenken

Von Klaus Schieder

Das Skifahren ist nicht jedermanns Sache. Trotz des Drucks durch die Sportartikelwerbung und die Verachtung der ewig Fitten im Bekanntenkreis gibt es noch immer Leute, die sich hartnäckig dem Alpin-Event mit traumhaften Kunstschneepisten, Aprés-Ski-Zirkus und kilometerlanger Geselligkeit vor dem Lift verweigern. Die mangelhafte Bindung an diesen Spaß liegt in unserem Fall allerdings an einem Kindheitstrauma, das wir uns in einem Schulskilager zuzogen. Seinerzeit übten wir den Parallelschwung, wandelten ihn auf einer Bodenwelle in einen Überkreuzschwung ab, sausten rücklings auf den Brettern vom Babyhang durch ein Waldstück auf die Megaprofipiste, wo wir als Querschläger nicht so willkommen waren. Nach dieser unfreiwilligen Darbietung stellte ein Skipilot mit kalter Wut die Frage, die uns auch selbst gerade durch den Kopf schoss: Hast du sie noch alle?

Die Antwort bestand darin, hinfort auf alle Sportgeräte zu verzichten, die ohne eingebaute Bremse über Schnee und Eis schießen. Als da sind: Schlittschuhe, Skier, Rodel, Schlitten, Snowboards, Kicksleds, Snowbikes, Skibobs, zweckentfremdete Metallbadewannen, alte Lastwagenschläuche. Freizeitmäßig blieben die Berge im Winter damit tabu, was an sich kein Beinbruch war. Das könnte sich nun aber wegen des Klimawandels bald ändern. Weil die warmen Temperaturen das Weiß aus den Schneekanonen dann umgehend in Wasser verwandeln, werden Pistenbetreiber kaum umhin kommen, eine Art Alpamare in Wintersportgebieten wie dem Brauneck anzulegen. Mit in den Hang gegrabenen Rutschen für alle, die auf Boards, Bretter oder Lkw-Schläuche á la Alpabob nicht verzichten möchten. Mit kleinen Badebecken in Bergmulden für unsereinen. Dort wären ein paar Liegen eine feine Sache. Bei großer Geselligkeit an einem schönen Wintersommertag würden wir sie beizeiten mit einem Handtuch reservieren. Und jeden ignorieren, der uns zornentbrannt fragt, ob wir sie noch alle haben.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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