Mitten in Königsdorf:Hochgereckte Gesäßformation

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Bewaffnet mit Töpfen, Küchensieb und Kübel geht es ab ins Erdbeerfeld

Von Klaus Schieder

Wer in diesen schönen Junitagen von Geretsried über Königsdorf nach Bad Tölz einem Traktor oder einem Pulk Radfahrer hinterher bremst, dem bleibt genug Zeit, um die Voralpenlandschaft zu genießen. Da sind die schneegekrönten Berge, da sind die Kühe auf den sattgrünen Wiesen, da sind die hochgereckten Gesäßformationen. Bei ihnen handelt es sich um jene Selbstpflücker, die im Frühsommer stets auf Erdbeerfeldern die roten Früchte abgrasen, bewaffnet mit Töpfen, Küchensieben und Kübeln. Zugegeben: Unsereiner sah bislang halb mitleidig, halb verständnislos auf diese Baumwollskla . . ., pardon, freiwilligen Landarbeiter, die in sengender Sonne bückend und knieend malochten, um 0,42 Cent pro halbem Kilo einzusparen. Aber wir haben uns bekehren lassen, nachdem die Erdbeeren aus dem Supermarkt nun schon zum dritten Mal über Nacht im Kühlschrank verfault sind.

Okay, also rein in die Gummistiefel, das alte, karierte Hemd, die verbeulte Hose. Diese Art von Knechtsgewand ist übertrieben, so stellten wir beim ersten Mal fest, dafür hätte es durchaus eine größere Schüssel sein dürfen. Anfangs hatten wir befürchtet, dass die süßen Früchte zwischen ihren unreifen und überreifen Artgenossen ob der Besucherscharen eher schwer zu finden sein dürften. Im Stillen hatten wir auch geargwöhnt, dass die Erntebehälter aus Blech und Plastik im Darwinschen Kampf um die beste Strauchreihe womöglich zweckentfremdet werden könnten. Aber nichts davon, ganz im Gegenteil. "Entschuldigen'S, Se hom do a poor Beern valor'n", rief uns ein älterer Herr mit Strohhut freundlich hinterher, als wir uns mit vollen Schüsseln vom Kassenhäuschen zum Auto trollten, glücklich und mit vom Naschen übervollen Magen.

Die Saison ist noch nicht vorbei. Im Juli und August sind die Himbeeren so weit, bis dahin hat sich unsere erdbeerrote Pflückerhaut gebräunt. Und wenn auch diese Ernte vorbei ist, dann kommt die Zeit der Äpfel. Leider gibt es im Voralpenland noch keine öffentlichen Obstgärten. Das muss sich rasch ändern. Eine Leiter haben wir schon auf unserer Einkaufsliste stehen. Und sicherheitshalber auch ein Auffangnetz.

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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