Mitten in Geretsried:Verdacht um Mitternacht

Lesezeit: 1 min

Gefahren lauern überall. Deswegen werden manche Beobachtungen schnell vollkommen falsch interpretiert

Von Konstantin Kaip

Es sind problematische Zeiten, in denen wir leben. Die Weltlage, die schon länger unübersichtlich war, ist bedrohlich geworden, längst auch im einst beschaulichen Oberbayern. Die Gefahr lauert überall. Das vermeintlich Harmlose kann plötzlich lebensbedrohlich werden. Jeder ist verdächtig. Und wo man sich vor Kurzem noch so sicher fühlte, muss man nun sehr wachsam sein. Augen auf, das gilt inzwischen für alle, überall - auch in Geretsried.

Verständlich also, dass dort ein Anwohner nervös wurde, als er am Dienstag, zwanzig Minuten vor Mitternacht, auf dem sonst so ruhigen Isardamm eine äußerst verdächtige Beobachtung machte: Er sah ein Auto, so steht es im Polizeibericht, das mehrfach über die besagte Straße am Flussufer fuhr, hin und her. Immer wieder hielt es an, die Insassen stiegen aus und blickten sich um. Dann stiegen sie wieder ein und fuhren weiter. Wer waren diese Leute und was wollten sie? Suchten sie nach einer Stelle, um eine Leiche zu beseitigen, die sie im Kofferraum hatten? Oder wollten sie den Tatort für ein schreckliches Verbrechen erkunden, das sie im Schilde waren, auszuführen? Dem Beobachter, dem das Treiben immer seltsamer vorkam, während ihm das Blut immer schneller durch die Adern pumpte, müssen Tausende Gedanken durch den Kopf gerast sein. Lebensmüde aber war er nicht. Und so ließ er es tunlichst bleiben, selbst nachzusehen und sich in Gefahr zu begeben. Er griff stattdessen zum Telefon und verständigte die Polizei.

Am nächtlichen Isardamm mussten die Polizisten dann nicht lange warten, bis sich das verdächtige Auto erneut in langsamer Geschwindigkeit näherte. Die Beamten stoppten das Fahrzeug, um Pkw und Insassen einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen. Als sie nichts Verdächtiges feststellen konnten, sprachen sie die Geretsrieder direkt auf ihr suspektes Verhalten an, das dauernde Hin- und Herfahren, Aus- und Einsteigen mitten in der Nacht. Sie hätten nur nach Pokemons gesucht, antworteten die erstaunten Überprüften. Gemeint sind diese japanischen Fabelwesen, die derzeit selbst Erwachsene weltweit mit ihren Smartphones jagen. "Der Anwohner", meldet die Polizei, "konnte daraufhin entsprechend beruhigt werden."

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: