Mitten in Geretsried:Großwildjagd beim Volksfest

Lesezeit: 1 min

Von wegen Laservisier. Echte Profis zielen über Kimme und Korn - zumindest die Frauen

Von Thekla Krausseneck

Ach, wäre doch das Gewehr nur für Schießbuden erfunden worden - man könnte ganz in Ruhe ein bisschen Spaß haben, ohne sich dabei zu fühlen, als übe man für die Jagd. Doch Gewissensbisse hin oder her: Man kann es am Ende ja doch nicht lassen. Volksfestzeit ist Schießbudenzeit, und kein Weg führt daran vorbei. Wäre ja auch schade, darauf zu verzichten - auf die Blicke der coolen Jungs zum Beispiel, die ihren Kumpels gerade zeigen wollten, was sie drauf haben, und ziemlich fassungslos sind, wenn eine Frau im Sommerkleid neben ihnen die Walzen abräumt, an denen sie selbst gescheitert sind. Grämt euch nicht, Jungs: Mit dem Laservisier kann das ja auch nichts werden. Wer etwas auf sich hält, der nimmt Kimme und Korn. Gezielt wird freihändig, denn mit Stützhilfe kann das ja jeder. Jetzt die Füße schulterbreit auseinander, mit der linken Hand das Gewehr ein bisschen weiter vorne gegriffen, auf die linke untere Walze gezielt, es knallt und kracht, ein bis zwei Walzen stehen noch, der Rest ist ein Kinderspiel. Drei Euro, drei Schuss, dann müssen die Walzen vom Brett sein, sonst gibt's null Punkte anstelle von acht. Nichts leichter als das.

Aber den Übermut mal beiseite: Auch schießbudenbegeisterte Damen im Sommerkleid stoßen an Grenzen, etwa bei der Königsdisziplin Herzchen-Schießen. Ein Stück Karton steht auf dem Regal, bedruckt mit einem kleinen und zwei winzigen Herzen. Getroffen werden darf jeweils nur das Innere, der Rand darf nicht berührt werden. Ein Kunststück, das chirurgische Präzision erfordert und 50 Punkte einbringen kann. Die Herzchen zu treffen ist fast so schwierig wie den weißen Plüschtiger zu gewinnen, der knopfäugig und flauschig in der Ecke hängt und nur darauf wartet, mitgenommen zu werden. Wie viele Punkte der wohl kostet? 150, sagt der nette Mann hinter dem Tresen. 150, das sind drei Punktlandungen in der Königsdisziplin oder 19 Mal Walzen abräumen. Unterm Strich zwischen 50 und 70 Euro. Aber wann ist eigentlich zwischen glasiertem Apfel und Walzenschießen der Wunsch entstanden, diesen Tiger zu besitzen? Dahinter kann nur etwas Archaisches stecken. Zur Jagd gehören Trophäen eben dazu. Genauso wie die neidischen Blicke der coolen Jungs.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: