Mitten in der S-Bahn:Zwischen Wolfra und Tutz

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Abkürzungen sind nicht immer und überall eine gute Sache

Kolumne Von Carolin Fries

Abkürzungen sind eine feine Sache. Erstens kann man wichtige Dinge kurz und knapp mitteilen, wenn's pressiert, der Platz knapp ist oder die Finger zu kalt zum Tippen. So werden die Kinder morgens mit der Nachricht, dass es mittags "Schnipo" zum Essen gibt, aus der Tür geschoben. Die Zeitungszeile endet mit einem "Infos unter Tel." und die Whatsapp mit "LG". Fertig. Neben den praktischen Abkürzungen gibt es auch die liebevollen. In der Regel handelt es sich um Namen: Uschi, Michi, Pit. Aber auch Bezeichnungen für Haushaltsgeräte werden gerne abgekürzt, der Staubsauger "Saugi" etwa wird somit zu einem helfenden Familienmitglied. Und in welcher Sofaecke heißt der begehrte "Drücki" tatsächlich noch Fernbedienung?

Eine neue Kategorie der Abkürzungen gibt es im S-Bahn-Verkehr. "Richtung Alto zurückbleiben", lautete kürzlich die fröhliche Durchsage an einem Münchner Bahnhof. Da war der Sprecherin "Altomünster" offenbar zu lang. Oder ihr schien die Abkürzung einfach schmissiger, ja einladender. Heute Alto, morgen Tutz. Mal abgesehen davon, dass niemand mehr durchblicken würde, wenn die S-Bahnen nach "Eber" und "Herr" fahren würden - die Reiseziele bekämen mitunter eine ganz andere Bedeutung. "Isma" klingt beispielsweise wie eine Messe für Ernährung, in "Holz" wähnt man sich im Wald und "Wolfra" ist einfach eine Spur zu saftig.

Nein, liebe Bahn, wenn schon Abkürzungen, dann bitte auf der Strecke. Was wäre es schön, wenn man von Starnberg nach Schäftlarn käme, ohne erst einen Umweg über München nehmen zu müssen! Oder aber wenn die MVG Expresslinien im Angebot hätte, die einfach mal ein paar Stationen links liegen lassen und in einem Rutsch durchfahren. Das passiert aktuell zwar auch, allerdings nur aus Versehen. So fuhr die S6 unlängst überraschend von Westkreuz nach Gauting ohne Halt durch. Wer nach Lochham, Gräfelfing, Planegg oder Stockdorf wollte, wurde gebeten, am Bahnsteig auf die nächste Bahn zu warten. Zügig ging's an diesem Abend nur für eine Handvoll Fahrgäste nach Hause. Alle anderen hatten es zugig.

© SZ vom 12.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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