Mitten in der S-Bahn:Auf Tuchfühlung mit der Jugend

In der Schwebephase zwischen Notenvergabe und Ferienbeginn wird es manchmal eng

Von Barbara Briessmann

Nervenstark, lärmunempfindlich, sportlich und nahkampferprobt - mit diesen Eigenschaften kommt der MVV-Kunde in diesen Tagen am besten an sein S-Bahnziel. Wer gegen neun Uhr früh Richtung Wolfratshausen oder Starnberger See fahren will, muss mit allem rechnen, vor allem mit Hunderten von Kindern.

Die Noten sind erledigt, die Zeit bis zum Zeugnis soll irgendwie totgeschlagen werden. Am besten so, dass jeder denkt, es rührt sich noch was in den Schulen. Sport-, Sommer- und sonstige Feste reichen bei Weitem nicht aus. Deswegen steht der Ausflug ganz hoch im Kurs. Münchner Schulen zieht es massiv ins Umland - mit der S-Bahn.

Das kann zwar niemand ahnen, der mit einer Handvoll Menschen an der Hackerbrücke steht und auf die verspätete S 7 Richtung Wolfratshausen wartet. Kaum gehen die Zugtüren auf, ist es dennoch gewiss: Wandertag. Etwa sechs bis acht Grundschulklassen lärmen durch den Wagen, dazwischen Jugendliche, die sogar ab und an ihren Platz anbieten, zu dem zu gelangen aber eine gewisse Athletik von Nöten ist. Überall wuselt es. Hoffentlich steigen sie bald aus.

Tun sie nicht. Als die Bahn an der Haltestelle Siemenswerke einfährt, entfährt einem 16-Jährigen nur ein lautes "Oh, Gott!" Dort stehen nämlich noch einmal fünf einstiegsbereite Klassen. Das Gedrängel wird unerträglich. Drei bis vier Kinder teilen sich zwei Sitze, manche springen immer wieder auf, um zu den stehenden Kameraden zu laufen. Auf die energische Bitte, sich doch wieder zu setzen, tut das ein Bub prompt: auf den Schoß einer ihm fremden Frau.

Das ist Tuchfühlung mit der Jugend.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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