Mitten in der Region:Großmutters Küchengeschichten

Lesezeit: 1 min

Warum die Rezepte von Oma so wertvoll sind

Kolumne von Katharina Schmid

Wenn er blüht, dann sind die genüsslichen Gedanken frei: der Holler oder Holunder, so sein korrekter deutscher Name. Genauer noch, sambucus nigra, die botanische Bezeichnung des schwarzen Holunders, jene Unterart, die bei uns in Mitteleuropa am weitesten verbreitet ist. Bizarr eigentlich dieser Name. Blüht er doch im Frühsommer so wunderschön weiß. Aber gut, in den dunkelvioletten Früchten des Hollerbuschs lässt sich die namensgebende Farbe schon eher wiederfinden.

Wie dem auch sei. Blüht jedenfalls der Holler, wie eben gerade, dann läuft dem Betrachter sprichwörtlich das Wasser im Munde zusammen. Die Gedanken wandern zu all den schmackhaften Spezialitäten, die sich aus seinen Blüten und Früchten herstellen lassen. Hollerküchel. Hollersirup. Hollersaft. Wie gut sie doch schmecken. Schnell ist ein Beschluss gefasst. Das kann doch nicht so schwer sein, denkt sich voller Elan der Sprössling aus einem Hause der guten bayerischen Küche. Hat nicht die Oma immer diese krossen, wohlschmeckenden, fein duftenden Hollerküchlein gebacken, die das Kind, noch lauwarm und mit Puderzucker bestäubt, so gerne verdrückte. Wäre doch gelacht, würde man das nicht genauso hinkriegen.

Also googelt der ambitionierte Nachwuchskoch munter drauf los - ein Rezept muss her. Und eine Sekunde später auch schon eine Entscheidung zwischen zig Rezeptvorschlägen unter anderem von einer Landfrau, einem Chefkoch und sogar einem Foodhunter, einem Essensjäger also. Im Fall der Hollerküchel, ganz eindeutig, wird das Vertrauen dann doch der Landfrau geschenkt. Aber was da wenig später auf dem Teller liegt, es ist einfach nicht das, was es bei Oma einst war. Vielleicht hätte man doch lieber diesen blauen, fast bilderlosen Wälzer, den Klassiker unter den süddeutschen Rezeptbüchern, das bayerische Kochbuch befragen sollen. Zumindest lag das doch immer in der Nähe des großmütterlichen Herds herum. Wie dem auch sei. Am besten wäre es wohl gewesen, sich bei Oma in die Küche einzunisten und mit ihr tagelang nur zu kochen, zu backen, zu braten, zu brauen - kurz: sich die wirklich schmackhaften Rezepte zeigen zu lassen, die den Gaumen schon als Kind geprägt haben und deshalb immer - da können noch so viele Chefköche und Landfrauen digital daherkommen - die besten bleiben werden. Ein Hoch auf die Rezepte in den Köpfen der Omas.

© SZ vom 23.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: