Mitten in der Region:Gib's auf wie Goethe

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Ein peinigendes Gefühl, den Mund zu voll genommen zu haben? Das muss nicht sein!

Glosse von Michael Morosow

Gut ist der Vorsatz, aber die Erfüllung ist schwer" - das wusste schon Johann Wolfgang von Goethe. Wahrscheinlich hat der Trinker und Denker diese Weisheit beim sechsten Schoppen Würzburger Stein niedergeschrieben. Von einem Vorsatz, sein tägliches Quantum an geistigen Tropfen zu reduzieren, war der alte Suffkopf damals weit entfernt. Zwei Jahrhunderte danach ist der Wunsch vieler Menschen, sich künftig weniger hinter die Binde zu kippen, auf jeder Top-Ten-Liste der Neujahrsvorsätze zu finden. Darauf fehlen auch nie die entschlossen vorgetragenen Absichtserklärungen, von Zigaretten ein für alle mal die Finger zu lassen, einen Großteil seines Körpergewichts zu verlieren, möglichst durch viel mehr Sport, am Ende vielleicht sogar einen Marathon.

Laut Statistik halten die Vorsätze bei drei Prozent der Menschen nur wenige Stunden, bei 36 Prozent zwischen einem Tag und einem Monat und bei 27 Prozent immerhin mehr als drei Monate. Das heißt, nur ein Drittel hält das ganze Jahr über durch, die große Mehrheit der vollmundig verkündeten Besserungsschwüre dagegen werden gebrochen. Zurück bleiben Verlierer mit dem peinigenden Gefühl, den Mund zu voll genommen zu haben. Das muss aber gar nicht sein.

Wer diesem seelischen Dilemma entkommen wollte, der hatte an diesem Montag die beste Gelegenheit dazu. In den USA wird der 17. Januar "Wirf-deine-Neujahrsvorsätze-über-Bord-Tag" genannt. Fenster auf und raus mit dem belastenden Kram. Es ist tatsächlich ein befreiender Akt, nach dem man sich in seiner gespannten Haut wieder wohl fühlt. Zuerst also flog vor dem geistigen Auge die ungnädige, allzu korrekte Waage in hohem Bogen aus dem Fenster. Der Geist war willig, aber das Fleisch zu schwach. Eine biblische Ausrede, die der gute Goethe wohl adaptiert hat.

Ein weiterer Vorsatz ließ sich bequem aus dem Fenster hinaus blasen. Dem Glimmstengel will man jetzt definitiv vielleicht schon zum nächsten Silvester für immer entsagen. Das ist ganz einfach, hat man doch schon zig Male Selbiges geschafft. Und da schwergewichtigen, lungengeschwächten Rauchern nun eben wesentliche Voraussetzung dafür fehlen, einen Marathon durchzustehen, ging auch dieses Ziel über Bord. Die nächsten Neujahrsvorsätze? An erster Stelle: am 17. Januar das Fenster öffnen.

© SZ vom 21.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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