Mitten in der Region:Essen holen als EU-Bürger

Ist es noch statthaft, Speisen "to go" mitzunehmen, nachdem Großbritannien aus der Europäischen Union ausgetreten ist?

Glosse von Claudia Koestler

Zu den bislang wenig beleuchteten Phänomenen dieser Zeit gehört das Versiegen einer früher sprudelnden Quelle: Informationen aus zweiter Hand sind nicht mehr zu erhalten, wenn alle Abstand halten. Gleiches gilt für Klatsch und Tratsch, denn der Flurfunk funktioniert nicht mit Mundschutz oder per Videokonferenz. Glücklich schätzen kann sich da, wer über einen Balkon verfügt, auf dem man trotz zahlreicher Meter und einer Trennwand dazwischen das Ohr am Puls der Zeit haben kann. Etwa dann, wenn die Nachbarn über den Austritt der Briten aus der EU philosophieren und die Kinder ihre ersten politischen Fragen stellen. "Sagt man jetzt trotzdem weiterhin beim Essen holen 'to go'?", hört man die Tochter fragen. Die Stille darauf belegt die Grübelei der Eltern - die zu einem salomonischen, eher pro-EU-Urteil finden: "Du magst ja eh lieber die Crêpes beim Franzosen, dann holen wir halt die." Der kleine Bruder hakt nach: "Ist das nicht auch to go?" Nein, winkt die Schwester, ab: "Da heißt das allez hopp."

© SZ vom 29.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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