Mitten in der Region:Der Zaun als Kontaktbörse

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Warum man mal wieder das Heim verschönern sollte

Kolumne Von Nicole Graner

Eigentlich muss man keine Kommunikationskurse besuchen. Auch keine Kontaktbörsen. Wer mit Menschen ins Gespräch kommen will - ehrlich, ein guter Tipp -, der streiche seinen neuen Vorgartenzaun. Natürlich war es schon immer so, dass man anderen beim Arbeiten gerne zusieht, aber die Begeisterung darüber, ist ein Erlebnis.

Kaum sind die ersten Latten am Zaun, kaum die ersten Pinselstriche getan, scheint das Neue die Nachbarn auf den Plan zu rufen. Da ist schon die Bewunderung groß, dass man diesen Zaun selbst aufbaut, selbst bohrt. Na, und selbst streicht. "Sag mal, kannst Du auch Reifen wechseln?", ruft ein Nachbar. Er lächelt und streckt den Daumen nach oben. Einer hätte am liebsten den gleichen Zaun, eine Nachbarin streicht ihre Hand über die fein herausgearbeiteten Holzenden. "Schön, sehr schön", sagt sie, "passt gut zum Haus." Ein Gespräch über Architektur, über Dinge, die man sonst noch an dem Haus reparieren könnte, nimmt seinen Lauf. Und noch andere Gespräche folgen: über das Leben in der Straße, über die Gesundheit der Menschen, die in ihr wohnen, und dass man sich mal wieder treffen müsse. Es ist ein Kommen und Gehen. Fast hätte man Prosecco ausschenken sollen.

Dann die Farbwahl. Puhh! Anscheinend gut ausgewählt. Denn die Mehrheit goutiert zum Glück die Palisander-Braun-Holzlasur. "Passt zur Haustür!", "Sieht edel aus!". Ein unbekanntes Gesicht, das nicht in der Straße wohnt, fragt durch die neuen Latten: "Entschuldigung, welche Farbe haben Sie da genommen? Deckt die gut und ist sie teuer?" Aber es gibt auch blöde Sprüche: Zum Beispiel, dass ja Weiß viel schöner sei und den Hinweis, dass es keine "Nasen" geben dürfe. Super Tipp. Oder dass man an der leidenschaftlichen Arbeit erkenne, wie sehr man das Haus lieben müsse. Die schönste Bemerkung aber macht ein kleiner Junge. Die Mama erklärt, was man da mache. "Schau mal, die machen den Zaun neu, sie bohren und sie malen." "Schön", sagt das Kind. "Die malen braun. Ist meine Lieblingsfarbe." Na, dann hat ja alles seine Ordnung. Aber ehrlich, so viel Kommunikation erschöpft - fast mehr als das Pinselhalten.

© SZ vom 29.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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