Mitten in Benediktbeuern:Luft anhalten bis Ostern

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Damit Vollzeitverzichter auch in den Genuss des Fastens kommen, hat man den Begriff nun ausgeweitet

Kolumne von Konstantin Kaip

Der Verzicht ist auch nicht mehr das, was er mal war. Das wird einem am Aschermittwoch immer wieder schlagartig klar. Die Fastenzeit, die nun beginnt, war ja früher in streng gläubigen Familien noch obligatorisch und wurde gemeinhin als schmerzhaft empfunden, auch wenn sie durchaus unterschiedlich streng gehandhabt wurde. Heute hingegen ist das Fasten längst kein großes Ding mehr. Aufs Fleisch verzichten ohnehin immer mehr Menschen freiwillig das ganze Jahr über; und andere haben es sich sogar obendrein abgewöhnt, Milchprodukte und Eier zu sich zu nehmen. Der Verzicht ist dann keine temporäre Einschränkung mehr, um Buße zu tun. Er wird vielmehr zum integralen Bestandteil der eigenen Identität. Nach dem Motto: Du bist, was du nicht isst. Während man sich also mit gespielt reuigem Blick auf seinen Edelfischteller stürzt, zuckt der Veganer, der sich noch dazu seit Jahren mit religiösem Eifer glutenfrei ernährt, nur gelangweilt mit seinen knöchernen Schultern.

Damit das Fasten nach dem Fasching auch für die immer größer werdende Zahl der bewussten Vollzeitverzichter eine reizvolle Herausforderung bleibt, hat man den Begriff seit geraumer Zeit ausgeweitet: Er betrifft längst nicht nur die Ess- und Trinkgewohnheiten der Menschen, sondern ihren ganzen Alltag. Beim Plastik-Fasten etwa haben die Büßer nicht etwa Supermarkt-Tüten herunterwürgen müssen, sondern versucht, 40 Tage lang auf Kunststoff möglichst zu verzichten. Und weil auch das inzwischen bei vielen zum Alltag gehört, startet das Zentrum für Kultur und Umwelt in Benediktbeuern nun eine neue Aktion: das CO₂-Fasten. Teilnehmende Familien sollen bis Ostern möglichst wenig Kohlenstoffdioxid ausstoßen.

Die Aktion, die ein Bewusstsein schaffen soll für die übergroßen ökologischen Fußabdrücke, mit denen leider alle durch die Welt stapfen, ist sicher lobenswert. Nur sollten die Teilnehmer nicht allzu ehrgeizig sein. "Jedem ist dabei selbst überlassen, welche Ziele für die Fastenzeit gesetzt werden", heißt es in der Ankündigung. Allerdings auch, dass nur zwei Tonnen Co₂ pro Person im Jahr umweltverträglich wären. Diesen Wert kann jedoch laut Max-Planck-Institut schon ein Leistungssportler nur mit seinen Lungen erreichen. Schließlich atmen wir das Treibhausgas bei jedem einzelnen Atemzug aus. Luft anhalten bis Ostern ist jedoch bei allem Verständnis für Spaß am Verzicht ganz sicher keine Option. Schlaue Kinder der teilnehmenden Familien könnten das Fastenziel aber auch als Erlaubnis zum vierzigtägigen Faulenzen sehen: Bei anstrengenden Tätigkeiten wie Müll rausbringen oder Zimmer aufräumen erhöht sich schließlich nachweislich die Atemfrequenz.

© SZ vom 14.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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