Mitten in Bad Tölz:Willkommen in der Tempo-10-Zone

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Die Stadt gibt sich alle Mühe, Autofahrer auszubremsen. Jetzt hat sie sich etwas Neues ausgedacht

Von Klaus Schieder

Als notorischer Autofahrer hat man es in Bad Tölz nicht so leicht. Allüberall gibt sich die Stadt redlich Mühe, die Umweltsünder am Lenkrad zu entschleunigen, ihnen ein schlechtes Gewissen einzujagen und vor Augen zu führen, dass sie auf dem Fahrrad oder sogar zu Fuß schneller ans Ziel gelangen. Das gilt vor allem fürs Kurviertel.

Dem löblichen Zweck des Ausbremsens dient dort zum Beispiel das versetzte Parken. Das zwingt dazu, alle paar Meter hinter drei abgestellten Autos am rechten Straßenrand stehen zu bleiben, um den Gegenverkehr durchzulassen, der aber höflicherweise ebenfalls angehalten hat. Die Verständigung per Handzeichen missglückt mangels Sicht, worauf beide zur selben Zeit losfahren und sich in der Straßenmitte treffen, was bei weniger gut erzogenen Fahrern gleich der Fall ist. Einer muss schlussendlich den Rückwärtsgang einlegen und kann von Glück sagen, wenn er beim Zurückstoßen halb in eine Garageneinfahrt nicht einen Radler erwischt, der klugerweise den Gehweg genommen hat. Derlei Situationen fördern den Stressabbau, reduzieren den Verkehrslärm und erziehen zu einem Miteinander wider Willen.

Und dann erst all die elektronischen Zeigefinger. Wenn man nach Bad Tölz zurückkehrt, ist es immer ein erhebendes Gefühl, auf der Anzeigetafel an der Königsdorfer Straße von einem Smiley mit heruntergezogenem Mundwinkel begrüßt zu werden. 56 km/h? Na ja, wer so zuroast, hat sich eben ein solches Willkommen verdient. Noch wirksamer ist das elektronische Schild, das mal hier, mal da rund um den Max-Hoefler-Platz aufgestellt ist. Wer dort schneller fährt, als ein Senior mit Rollator schlurfen kann, dem schleudert es in herrischem Rot ein "LANGSAM" entgegen. Aber auch diese Tafel ist bitter nötig, vergessen doch allzu wenige Fahrer das Gaspedal und das Faktum, dass das Kurviertel mit seinen Baustellenlastwagen, Touristenradlergruppen und aussteigenden Fernbusreisegästen aus einer einzigen Tempo-10-Zone besteht.

Aber jetzt hat die Stadt eine noch bessere Verkehrserziehungsmaßnahme gefunden, die sogar diese Du, du, du-Zeigefinger überflüssig macht, wenn sie flächendeckend zum Einsatz kommt. Auf der Königsdorfer Straße wurde am Kanal gearbeitet, die Fahrbahn danach wieder asphaltiert, aber einen halben Meter tiefer. Das kann so bleiben, denn seit einigen Wochen schon sind die Autofahrer stadteinwärts gezwungen, ihre Karre vorsichtig nach rechts unten zu steuern - sofern sie damit länger fahren wollen. Schade nur, das vor dieser Stelle keine elektronische Anzeige steht. Mit einem Smiley, der ihnen fröhlich zuzwinkert.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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