Mitten in Bad Tölz:Touristen-Fotos - früher und heute

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Spießroutenlaufen ist angesagt in der Tölzer Marktstraße. Dort wimmelt es von mit Smartphone-ausgestatteten Touristen, die alles und jeden knipsen

Kolumne von Klaus Schieder

Früher war das Fotografieren kompliziert. Vor gut 40 Jahren hing dem Touristen noch eine schwere Kamera um den Nacken, die ihm den Kopf leicht nach vorne zog, wodurch er die Drehknöpfe für die Blende und die Belichtungszeit genau studieren konnte. Diese Werte mussten, je nach Sonnenstand und vielleicht auch Tagestemperatur, exakt eingestellt werden; ansonsten erhielt man nach der Rückkehr in die Heimat aus einem Fotolabor überbelichtete Bilder, die der im Urlaub schmerzhaft erworbenen Sonnenbräune Hohn sprachen. Also stand der Hobbyfotograf gesenkten Blickes da, die Familie wartete vor dieser und jener Sehenswürdigkeit auf das erlösende Klick des Auslösers, wartete und wartete, die Sonne sank langsam zum Horizont hinab, das änderte die Belichtungszeit, die deshalb neu justiert . . . nur Geduld . . . jetzt haltet doch mal still . . .

Mit dem Smartphone ist inzwischen alles ganz anders geworden. Das lässt sich in Bad Tölz dieser Tage schön beobachten, wo die Touristen inzwischen wieder durch die Marktstraße stromern und allenthalben ihre Minicomputer in die Höhe halten, sei es händisch, sei es mit Selfie-Gestänge. Für den Einheimischen, der an ihnen vorbei zum nächsten Meeting hetzt, birgt dies ein Problem. Er kann aus purer Höflichkeit entweder einen Zickzackkurs einschlagen, um die Aufnahmen nicht zu stören, kommt dann allerdings zu spät und ohne akzeptable Ausrede zum Termin. Oder er ignoriert all das Smartphone-Geknipse, läuft dadurch aber Gefahr, überall in sozialen Netzwerken auf irgendwelchen Grinse . . . , also Smileyfotos mit verbissener Miene im Hintergrund aufzutauchen. Als Tölzer möchte man gar nicht wissen, wie oft die eigene Griesgramvisage auf Internet-Plattformen so weltweit erscheint.

Mit den alten Kameras wäre so was nicht möglich gewesen. Wegen des Aufnahmeverfahrens hätten schon die familiären Fotoobjekte laut dafür gesorgt, dass man im entscheidenden Moment nicht durchs Bild lief. Allenfalls bat ein Familienvater darum, den Apparat zu nehmen und auf den Auslöser zu drücken: Blende und Belichtung eingestellt, da rechts oben drücken - klick. Nur gut, dass man die Bilder nie zu sehen bekam.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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