Mitten in Bad Tölz:Surren statt zwitschern

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Die Deutschen lieben die Ordnung. Das gilt auch für den exakt gestutzten Rasen im eigenen Garten. Nur gut, dass es dafür Roboter gibt

Kolumne von Klaus Schieder

Es ist wieder so weit: Der Roboterrasenmäher des Nachbarn surrt wie von Geisterhand durch den Vorgarten, mal gradaus, mal quer, mal schräg, mäht noch ungewachsenes Gras um und schneidet den ersten Gänseblümchen den Kopf ab. So muss das sein, denn gewiss steht es in irgendeiner Privatgrünanlagengrashöhensatzung geschrieben, dass ab einer Halmlänge von 0,55 Zentimetern rasengemäht werden muss, aber sofort ... , weil sonst Ordnungswidrigkeit ... , andernfalls Bußgeld ... Ein solches Regelwerk gibt es zwar selbst im paragrafenreichen Bad Tölz nicht, aber sicher ist sicher. Also raus mit diesem Rasenstaubsauger. Ist ja auch viel übersichtlicher, wenn draußen alles so glattrasiert ausschaut.

Wenn wir nun an schönen Frühlingstagen auf dem Balkon sitzen, können wir getrost die Tür hinter uns offen lassen: Irgendwelche geflügelten Viecher flattern uns nicht mehr unbemerkt von der Blumenwiese aus ins Haus, die uns dann zu nachtschlafender Zeit dermaßen ausdauernd um die Ohren sirren und schwirren, dass an Schlaf nicht zu denken ist. Es gibt diese winzigen Fliegen, Mücken und Falterchen so gut wie nicht mehr, die vor einigen Jahren noch zu Hunderten um die Glühbirne tanzten, wenn man an lauen Sommerabenden kurz den Lichtschalter betätigte. All dies ist wiederum der Grund dafür, warum zwei Gäste aus dem Ausland voriges Jahr auf unserem Balkon ganz erstaunt fragten, warum in Bad Tölz mit seinem vielen Grün so gut wie keine Vögel zu hören seien.

Wir hätten uns nun als Hobbybiologen aufplustern und wortgewandt deduzieren können, wie das mit Gänseblümchen, Insekten und Vögeln hierzulande so geregelt ist. Aber wir zeigten einfach nur auf den Rasenmäherroboter des Nachbarn und frotzelten, dass ordnungsliebenden Germanen das stete Surren dieses Automaten lieber sei als das Durcheinandergezwitscher von Vögeln. Den Witz haben unsere lieben Besucher nicht verstanden. Ja, okay, das war auch nicht unbedingt zum Piepen.

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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