Mitten in Bad Tölz:Kurstadt mit Qi

Lesezeit: 1 min

Wer braucht von "omm", wenn er "eeeeentschleeeeuuuuunigeeeen." sagen kann?

Von Klaus Schieder

Bad Tölz ist ein Ort, der neues Leben schenkt, ein wahrer Jungbrunnen. Geradezu ideal für Leute, die mittleren Alters sind, einen richtigen Stressberuf haben und sich selten relaxed fühlen. In aller Frühe schon denken sie beim Zähneputzen bedauerlicherweise nicht an Yin und Yang, an Aura Soma oder grundlegende Fragen der Reinkarnation, sondern bloß mehr an ihren ollen Job; wenig später hupen sie sich im Auto angespannt den Weg zum Parkhaus frei und sturen auf dem Weg ins Büro über die Straße, womit sie andere Autofahrer zum Hupen bringen. Für solch beklagenswerte Zeitgenossen bietet Tölz nicht nur die Couch des Psychiaters, sondern mittlerweile eine ganze Reihe an Angeboten, die dem Entschleunigen dienen, ja wirklich, dem Entschleuuuuunigen, am Ende gar dem völligen Eeeeentschleeeeuuuuunigeeeen.

Da ist zum Beispiel das neue Labyrinth im Rosengarten. Wer sonst als Workaholic durchs Leben spurtet, kann dort bedächtig über mehr als 600 Trittsteine stelzen, immer im Kreis herum, bis er zur Mitte kommt, zur Mitte des Lebens, seiner selbst, des Kosmos, des magischen Kraftplatzes, zur Mitte von was auch immer. So zur Ruhe gekommen, empfiehlt sich der Gang zu den neuen Tölzer Vital-Orten. Im Rosengarten lernt er aus den meditativen Texten, dass die Rose überraschend Liebe und Lebensfreude symbolisiert, und eben nicht eine Rose eine Rose eine Rose ist, wie Dichterin Gertrude Stein irrigerweise meinte. Auf dem Isarsteg kann er auf Wellen und Helme der Bootsfahrer starren, von wegen Fluss des Lebens, der Energie, des Vergessens, des Weißbiers. Im Kurpark wiederum erfährt er, dass er atmet, dass die Bäume atmen, dass alles atmet. Nach seiner Rückkehr wird der Gast trotz Stressjob selig entspannt sein, beim Zähneputzen über das Qi philosophieren und erst im Parkhaus auf die Hupe drücken, aus lauter Lebensfreude.

Ein Tipp für die Tourist-Info: Die Mitarbeiter sollten noch eine Schulung absolvieren. Denn es bedarf einiger Übung, manch allzu Entschleunigte in ihre Hotelbetten zu tragen, ohne sie zu wecken.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: