Mitten in Bad Tölz:Insel für Faschingsmuffel

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In der Kurstadt ist an Rosenmontag tote Hose - wäre das nicht eine Marktlücke?

Von Klaus Schieder

Wer ein rechter Faschingsmuffel ist, lebt in Bad Tölz auf einer Insel der Seligen. Rosenmontag in der Kurstadt: Ein paar Leute lustwandeln mit ihren Einkaufstaschen durch die Fußgängerzone, die zwei italienischen Cafés haben ihr Mobiliar ins Freie gestellt, über allen Giebeln ist Ruh'. Niemand schlendert maskiert herum, weder als Engel noch als Donald Trump vermummt, niemand plärrt Helau oder wirft mit Luftschlangen um sich. In Bichl, in Benediktbeuern, in Penzberg winden sich dieser Tage die Faschingszüge durch die Straßen, in Geretsried tanzt ein buntes Völkchen zum Kehraus auf dem Karl-Lederer-Platz, aber Bad Tölz ist eine wunderbar karnevalsfreie Zone. Das bedeutet zwar nicht, dass es hier nicht auch gelegentlich mal närrisches Treiben gäbe, aber das vollzieht sich zu anderen Zeiten und eher in einem Sitzungssaal als auf der Marktstraße.

Verwunderlich nur, dass die Tourist-Info daraus noch nicht Kapital geschlagen hat. Vor allem in den Hochburgen penetranten Frohsinns am Rhein müsste es ein Reservoir an potenziellen Emigranten geben, die von all dem Alaaf-Helau-Alaaf-Helau und dem Tää-tää-tää-tää-täääääääh seit Kindheitstagen psychisch geschädigt sind und in den Tagen bis Aschermittwoch einen konfettilosen Rückzugsort brauchen. Bad Tölz wäre dafür wie geschaffen, wo allenfalls die Faschingskrapfen in den Bäckereien an die überzählige Jahreszeit erinnern.

Die Stadtverwaltung müsste jedoch dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr vorkommt wie am unsinnigen Donnerstag, als doch tatsächlich eine als Hexe Maskierte einsam und zigarettenrauchend am unteren Ende der Marktstraße herumlungerte. Nur gut, dass die Dämmerung schon hereingebrochen war, vielleicht hatte die Frau also auch bloß einen extravaganten Hut auf. Und natürlich muss der Faschingszug aus Reichersbeuern, der alle zehn Jahre in die Fußgängerzone einfällt, künftig besser abgeschreckt und zur Umkehr gezwungen werden. Halb Tölz könnte sich zum Beispiel verkleiden. Nicht als Trump, das wäre zu billig. Eher in konzertierter Aktion - etwa als einer der neuen Luxuswohnblocks im Kurviertel.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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