Mitten in Bad Tölz:Im Tölzer Dschungelcamp

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Welche herbstlichen Gedanken das unendliche Räuber-und-Gendarm-Spiel zwischen der Stadt und der Jodquellen AG weckt

Glosse von Klaus Schieder

Das Tölzer Kurviertel hat mit seiner Stille und seinen altehrwürdigen Gebäuden immer etwas von Spätherbst an sich. Wer dieser Tage aber die Ludwigspromenade entlangschlendert und den Blätterteppich aufwirbelt, dem könnte mehr als sonst melancholisch zumute werden. Von wegen Vergänglichkeit des Lebens, Volkstrauertag und Totensonntag, Demografie im Badeteil, und so. Aber gottlob ist unsereiner trotz vorgerückten Alters ja doch eine Frohnatur, die dem langsamen Verfall eher Nostalgisches abgewinnen kann. Dies gilt vor allem für die Grundstücke der Jod AG.

Da träumen wir uns zurück in die Kindheit und stellen uns vor, wie wir durch ein Loch im Zaun auf das verwilderte Alpamare-Areal geschlichen wären und dort Räuber und Gendarm gespielt hätten, zwischen all den Brennnesseln, den Erdhaufen und der seltsamen Plastik-Krake. Oder Cowboy und Indianer. Oder Stadtverwaltung und Jod AG - wobei allerdings noch zu klären wäre, wer den Bürgermeister Mehner geben darf, wer den Vorstandsvorsitzenden Hoefter. Und wer die Guten sind, wer die Bösen.

An diesem Antipodentum im Kurviertel wird sich so rasch nichts ändern. Auf dem Alpamare-Areal werden keine Wohnungen gebaut, den Parkplatz an der Wandelhalle erobert weiterhin die Natur zurück. Alles bleibt so überwuchert, wie es ist. Damit ist die touristische Nutzung, die von der Stadt nachhaltig gefordert wird, jedoch nicht obsolet. So wäre es durchaus denkbar, auf dem Alpamare-Gelände eine Kräuter ... , genauer: Unkräuterwanderung für die Gäste anzubieten. Mitzubringen wären Gummistiefel und Machete. Auf dem Wandelhallen-Parkplatz böte sich für Touristen so eine Art Tölzer Dschungelcamp an. 16 Tage lang müssten die Teilnehmer dort diverse Aufgaben lösen, zum Beispiel 1000 Glasscherben sammeln oder 100 leere Schnapsflaschen aufklauben. Oder herausfinden, was der Schriftzug "BIC 646 ASAB" bedeutet, der auf eine vergilbte Plakatwand mit der Aufschrift "Tanken Sie grüne Energie" geschmiert wurde.

Auch der Verfall könnte so etwas Zukunftsweisendes bekommen. Eher jedenfalls als das unendliche Räuber-und-Gendarm-Spiel zwischen der Stadt und der Jodquellen AG.

© SZ vom 27.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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