Mitten in Bad Tölz:Es geht aufwärts

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Viele Häuser haben inzwischen einen Lift - was das Treppensteigen fördert

Von Klaus Schieder

In manchen Berufsgruppen muss gelegentlich schon die Frage erlaubt sein, was die Leute überhaupt gelernt haben. Das gilt zweifelsohne für Zeitungsfritzen, die bekanntermaßen von nichts eine Ahnung haben, aber gescheit daherschreiben. Eine journalistische Ungezogenheit sind derlei Zweifel hingegen bei Architekten. So war die Häme völlig unangebracht, die ein Vertreter dieser seriösen Branche vor zwei Jahren über sich lesen musste, weil er beim Bau eines 47 Etagen hohen Wohn-Doppelturms im spanischen Benidorm versäumt hatte, einen Aufzug einzubauen. Von wegen vergessen. Der Mann hat nur vorausschauend geplant. Weil die Leute länger leben und immer rüstiger bleiben, fällt es ihnen auch in fortgeschrittenem Alter nicht schwer, Treppen zu steigen. Das dient der Gesundheit, insbesondere, wenn sie ihre Einkaufstüten hoch schleppen. Ja gut, dieser Sport wird anstrengend, wenn die Frau ihrem Mann beim Auspacken im 42. Stock mitteilt: "Schatz, wir haben die Sahne vergessen." Aber was kann der Architekt für derlei Gedächtnisschwächen? In Bad Tölz haben viele Häuser einen Lift, inzwischen sogar in den betagten Anwesen in der Marktstraße, die von Baumeistern geplant wurden, die von Aufzügen noch keine Ahnung hatten. Zum Beispiel in dem Gebäude mit unserem Büro. Dort hat man nachträglich einen Fahrstuhl ins Treppenhaus hineingezwängt, von wegen Barrierefreiheit oder so. Für Rollatoren, Rollstühle und Kinderwägen ist er zu schmal, aber das macht nichts. Für Patienten der Orthopädin im ersten und der Gynäkologin im zweiten Stock gilt das Gleiche wie für Wolkenkratzerbewohner in Spanien: Wo ein Wille ist, ist auch Bewegung. Außerdem bleibt so Platz für einen Journalisten, sofern er nicht einen Packen Zeitungen aus dem Briefkasten unterm Arm trägt. Aber auch unsereiner muss nicht um seine Fitness bangen. In dem Wohnkomplex im Kurviertel, in den wir uns eingemietet haben, ist der Lift derart eng, dass nicht mal eine volle Einkaufstüte hindurch passt. Das ist uns beim Treppensteigen jedoch egal: Das Ding ist meist sowieso außer Betrieb.

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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